JÜRGEN GOTTSCHLICH ÜBER DIE MÖGLICHE EINIGUNG MIT DER PKK
: Kompromiss zum Greifen nahe

Seit 30 Jahren versucht die Türkei das „Kurdenproblem“ in den Griff zu bekommen und scheitert. Jetzt sieht es zum ersten Mal so aus, als könnte gelingen, was kaum noch jemand am Bosporus für denkbar hielt: eine politische Vereinbarung, die den bewaffneten Kampf der PKK beendet und den Kurden zukünftig verfassungsgemäße Rechte garantiert, mit der ihre Sprache, ihre Kultur und eine begrenzte Selbstverwaltung anerkannt werden.

Noch nie gab es in der Türkei eine so breite Mehrheit, die unbedingt das Blutvergießen beenden will wie heute, und noch nie seit der Einführung des Mehrparteiensystems in den 1950er Jahren gab es einen so starken Ministerpräsidenten wie Tayyip Erdogan, der prinzipiell in der Lage ist, diesen Wunsch auch durchzusetzen. Trotzdem ist die Tür zum Frieden erst einen kleinen Spalt geöffnet, und auf dem Weg dahin wird es für alle Seiten enorme Zumutungen geben.

Die türkische Bevölkerung, die seit Jahrzehnten nichts anderes hört und liest, als dass der Staat mit Terroristen nicht redet, muss akzeptieren, dass der Feind von gestern, Abdullah Öcalan, zu einem vertrauensvollen Gesprächspartner der Regierung wird. Viele werden dagegen Sturm laufen.

Demgegenüber müssen die kurdischen Nationalisten akzeptieren, dass sie am Ende eines langen Kampfs keinen eigenen Staat, sondern nur eine sehr eingeschränkte Autonomie erwarten können. Ob alle wichtigen Player auf kurdischer Seite damit einverstanden sind, muss sich auch noch zeigen.

Aber bei aller Skepsis, ein Wind des Optimismus geht durch das Land, wie der stellvertretende Ministerpräsident Beshir Atalay sagte. Der Kompromiss kann gelingen, nur dürfen die entscheidenden Akteure jetzt wirklich keine großen Fehler mehr machen.

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