Wohlleben macht auf Verschwörung

NAZITERROR Die Anwältin des wegen Beihilfe zum Mord angeklagten Ex-NPD-Kaders Ralf Wohlleben beantragt, den NSU-Prozess einzustellen – wegen einer angeblichen Verwicklung der Geheimdienste

MÜNCHEN taz | Es war absehbar. Schon am ersten Prozesstag hatte Nicole Schneiders, die Verteidigerin des wegen Beihilfe zu neun der zehn NSU-Morde angeklagten Ex-NPD-Kaders Ralf Wohlleben, ein verschwörungstheoretisches Heft auf ihrem Tisch liegen.

Am Mittwoch nun legte Schneiders, die einst im selben NPD-Kreisverband wie Wohlleben mitmischte, los. Sie beantragte, das Verfahren einzustellen, weil sie inländische und möglicherweise auch ausländische Geheimdienste in die Taten verwickelt wähnt. Das sei ein „nicht behebbares Verfahrenshindernis“.

Der 38-Jährige Wohlleben soll dem NSU mit einem weiteren Angeklagten die Ceska-Pistole verschafft haben, mit der Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten erschossen. Er schweigt zu den Vorwürfen.

Seine Anwältin Schneiders sprach am Mittwoch dagegen von „geheimdienstlichen Verwicklungen“ und insinuierte, der Verfassungsschutz werde verhindern, dass die Wahrheit ans Licht komme. In ihren Anträgen zitierte sie teils längst widerlegte Zeitungsberichte. Etwa einen der Bild, wonach bei gleich sechs Tatorten der Ceska-Mordserie ein Verfassungsschutzmann in der Nähe gewesen sei.

Auch auf das verschwörungstheoretische Heft Compact nahm Schneiders Bezug. In einer Spezialausgabe der rechten Postille wird gefragt, ob der NSU im Auftrag der Geheimdienste gemordet habe und von einer heißen Spur auf ein „US-geführtes Terrornetzwerk“ gefaselt.

Gleichzeitig beklagte Schneiders die angebliche mediale Vorverurteilung ihres Mandanten. Dieser sei noch vor Beginn als Terrorhelfer „stigmatisiert“ worden. Sogar die Gedenktafeln, mit denen in mehreren Städten inzwischen der Opfer des NSU gedacht wird, stören die Verteidigerin. Auf diesen heißt es: „Neonazistische Verbrecher haben zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen in sieben deutschen Städten ermordet“. Schneiders findet: Es sei nicht erwiesen, dass Mundlos und Böhnhardt die Schüsse abgegeben haben.

Bereits im Vorfeld des NSU-Prozesses habe sich zudem die Politik in das Verfahren eingemischt und werde dies sicherlich weiter tun, behauptete Schneiders: „Ein faires und rechtstaatliches Verfahren ist nicht mehr möglich.“

Die Zuschauer verfolgten den Vortrag der Wohlleben-Anwältin teils mit Kopfschütteln. Ein Nebenklageanwalt warf Schneiders „Stimmungsmache“ vor. WOLF SCHMIDT