Der neue starke Mann

PORTRÄT General al-Sisis wichtigstes Anliegen ist die Wiederherstellung des Ansehens der Armee

BERLIN taz | General Abdel Fattah al-Sisi war der erste ägyptische Armeechef und Verteidigungsminister, der von einem frei gewählten Präsidenten ernannt wurde. Und nun, nach nur elf Monaten, war er es, der Mohammed Mursi absetzte. Dass ihm nun Menschen auf dem Tahrirplatz zujubeln, hat einen schalen Beigeschmack, war er es doch, der die unsäglichen „Jungfrauentests“ an festgenommenen Demonstrantinnen verteigte, auch wenn er später von dieser Position abrückte.

Al-Sisi, 1954 in Kairo geboren, absolvierte Militärakademien in Ägypten, Großbritannien und den USA. Er stieg schnell in der militärischen Hierarchie auf, war unter anderem Kommandeur im Sinai und diente als Militärattaché in Saudi-Arabien, ehe er Chef des Militärgeheimdienstes wurde. Der gläubige Muslim war, wie viele Offiziere der ägyptischen Armee, zugleich ein Bewunderer von Präsident Gamal Abdel-Nasser.

Al-Sisi war Mitglied des Obersten Militärrats, als dieser nach dem Sturz von Husni Mubarak am 11. Februar 2011 die Macht übernahm. In dieser Funktion befürwortete er eine offenere Art von Beziehungen zu den Vertretern der unterschiedlichen politischen Gruppen, vor allem zu den Muslimbrüdern. Als Mursi am 12. August 2012 den Chef des Militärrats, Mohammed Hussein Tantawi, absetze, bot sich der fast 20 Jahre jüngere, charismatische al-Sisi als der geeigneter Nachfolger an. Aufgrund seiner guten Beziehungen zu den Regierungen in Washington und Riad begrüßten diese seine Ernennung.

Al-Sisis wichtigstes Anliegen ist die Wiederherstellung des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der Armee, die gerade in der Zeit nach Mubarak stark gelitten hatten. Nach seinem erfolgreichen Putsch gegen Mursi wird die wichtigste Aufgabe von al-Sisi als dem Strippenzieher im Hintergrund sein, die tief gespaltene ägyptische Gesellschaft wieder zusammenzuführen. Eine Aufgabe, an der nicht nur der gestürzte Präsident, sondern zuvor bereits der Militärrat gescheitert waren. BEATE SEEL