Asylbewerberheim in Hellersdorf: Lichtenhagen lässt grüßen

Politiker verurteilen die rechte Stimmungsmache gegen ein Asylbewerberheim in Hellersdorf und fordern, sich von den Neonazis zu distanzieren.

Schön ist das neue Heim nicht. Bild: dpa

Nach der Eskalation einer Informationsveranstaltung am Dienstag in Hellersdorf, bei der viele der rund 1.000 Teilnehmer lautstark gegen ein geplantes Asylbewerberheim Position bezogen, verurteilte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) eine „undifferenzierte Stimmungsmache von Rechtsaußen“. Neonazis hätten die Veranstaltung „schamlos für fremdenfeindliche Parolen genutzt und das Informationsbedürfnis der Bürger instrumentalisiert“, sagte Czaja.

Auch Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) forderte laut epd alle Berliner auf, sich „nicht von diesen unanständigen braunen Rattenfängern verführen zu lassen“. Menschen, die vor Krieg und Gewalt geflohen seien, hätten ein Anrecht darauf, „bei uns Schutz zu suchen und zu finden“.

Eine seit Jahren leer stehende Schule soll in Hellersdorf in ein Heim mit bis zu 400 Plätzen für Asylbewerber umgewandelt werden. Viele der Bewohner sollen aus Syrien kommen. 2.000 Plätze für Asylbewerber braucht Berlin noch dieses Jahr. Marzahn-Hellersdorf liegt bislang mit rund 170 Flüchtlingen (2,5 Prozent) an vorletzter Stelle aller zwölf Bezirke.

Das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales hält an dem Plan fest, Asylsuchende in Hellersdorf unterzubringen, wie eine Sprecherin am Mittwoch erklärte: „Wir brauchen den Platz und haben keine Alternative.“ Ihr Amt werde veranlassen, dass die Baustelle von der Polizei bewacht wird. Ein Polizeisprecher bestätigte, dass „das Objekt verstärkt bestreift“ werde. Während sich einige Teilnehmer der Veranstaltung an die Pogromstimmung in Rostock-Lichtenhagen erinnert fühlten, lägen der Polizei aber keine Erkenntnisse vor, „die auf ein Szenario analog zu den Ereignissen von 1992 schließen lassen“.

Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus kritisierte, dass der Bezirk der Strategie der Neonazis nicht viel entgegenzusetzen hatte. „Es ist durchaus möglich, eine Veranstaltung so zu organisieren, dass organisierte und gewaltbereite Rechtsextreme diese nicht dominieren“, sagte sie. Schon mit der Einladung könne ein bestimmter Teilnehmerkreis ausgeschlossen werden.

Klose forderte auch, sich nicht nur auf die Neonazis zu fokussieren. „Wir haben hier gesehen, dass Rassismus auch in der Mitte der Gesellschaft weit verbreitet ist.“ Dieses Problem sieht Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) nicht. „Ich sehe keine grundrechtsablehnende Haltung bei den Anwohnern“, sagte er im taz-Interview und kündigte eine Versammlung ausschließlich für Anwohner an.

Eine wichtige Rolle bei der Stimmungsmache gegen das Heim spielt eine „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“, darin mischt unter anderem ein ehemaliger NPD-Kandidat mit. Der Verfassungsschutz sieht „keine Distanzierung“ der Initiative von „rechtsextremistischen Einflüssen“. Bezirksbürgermeister Komoß hält sie für eine NPD-dominierte Gruppe. „Die Bürgerinitiative ist für uns kein Gesprächspartner“, sagte er.

Inzwischen gibt es online aber auch Unterstützung der Flüchtlinge. Der Initiator der Facebookseite „Hellersdorf hilft Asylbewerbern“ ist ein 28-Jähriger Berliner, der aus Angst vor den Nazis anonym bleiben will. Er sei „traurig und fassungslos“ gewesen, als er einen Fernsehbeitrag über die Veranstaltung gesehen habe, sagt er der taz. Er hoffe, dass die Unterstützung für die Flüchtlinge auch ins Offline-Leben überschwappe. Einige Bürger hätten sich schon mit Hilfsangeboten gemeldet. Bis Mittwochabend klickten mehr als 1.750 Menschen „gefällt mir“.

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