Der Saudi gibt einen aus

ANALYSE Arabische Autokraten überschütten Ägyptens Putschisten mit Milliarden. Sie freuen sich, dass sich die Demokratisie-rung von Mursis Muslimbrüdern nicht ausgezahlt hat

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Die Muslimbrüder und Präsident Muhammad Mursi waren in Ägypten kaum von der Macht abgesetzt, da zückten die autokratischen Herrscher am Golf ihre Scheckbücher. 12 Milliarden Dollar Soforthilfe gibt es aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait für die ägyptische Staatskasse. Und das sei nur der Anfang, hieß es aus Abu Dhabi.

Der finanzielle Segen folgte auf den verbalen. Nach dem Putsch gegen Mursi hatte der saudische König Abdullah der ägyptischen Armee gratuliert, „die Ägypten aus einem dunklen Tunnel zurückgeholt hat“. Anwar Gargash, Außenminister der Emirate, kommentierte: „Dass sich die Ägypter einer islamistischen Regierung verweigert haben, stellt einen Wendepunkt in der Region dar.“

Ägypten erhält damit dringend benötigte Finanzhilfen. Die Währungsreserven des Landes waren seit Mubaraks Sturz im Februar 2011 von 36 Milliarden auf 14,9 Milliarden geschrumpft. Wobei einen guten Teil davon nicht Mursi, sondern der Oberste Militärrat ausgegeben hatte. Am Ende war es Kairo nicht mal mehr möglich, Treibstoffimporte zu bezahlen. Da kommt es wie gerufen, dass Saudi-Arabien 2 Milliarden der versprochenen Gelder gleich in Form von Öl liefert. Mit dieser Aussicht konnte Ägypten nun seine strategischen Ölreserven anzapfen. Die langen Schlangen an den Tankstellen, einer der Gründe für die Massenproteste gegen Mursi, verschwanden damit kurz nach dem Putsch.

Es mag zunächst verwundern, dass Saudi-Arabien, die Mutter des islamischen Fundamentalismus, feiert, wenn in Ägypten Islamisten weggeputscht werden. Doch das wahhabitische Saudi-Arabien sah in Ägyptens Muslimbrüdern schon immer eine Konkurrenz und unterstützte lieber die radikalen Salafisten. Deren Schwerpunkt liegt seit jeher auf einer Islamisierung der Gesellschaft, während die Muslimbrüder den Marsch durch die Institutionen propagieren. Der saudische König Abdullah ließ in seiner diesjährigen Ramadan-Botschaft keinen Zweifel daran, welchen Weg er bevorzugt: „Das Königreich wird niemals Parteien zulassen, da dies nur zu Konflikt und Misserfolg führt“, erklärte er.

In diesen deutlichen Worten lässt sich durchaus der Grund erkennen, warum ausgerechnet Saudi-Arabien den Ägyptern zu Hilfe eilt. Die saudischen Autokraten hassen die Muslimbrüder, weil diese sich über die Wahlurnen legitimieren ließen. Eine islamistische Bewegung, die sich auf demokratische Spielregeln einlässt, wird von den Diktatoren der Golfstaaten als unmittelbare Bedrohung gesehen. Denn dieser Weg stellt das Konstrukt gottgegebener autokratischer Herrschaft und monarchischer Erbfolge infrage. Und das eben nicht nur durch ein westliches Konzept, sondern auch durch ein islamisches. Schon die palästinensische Hamas wurde von Saudi-Arabien geschnitten, nachdem sie beschlossen hatte, im Westjordanland und Gaza an Wahlen teilzunehmen – einer der Gründe übrigens, warum sich die Hamas zeitweise dem Iran zuwendete.

Auch in den Golfstaaten gibt es Muslimbrüder. Sie werden verfolgt. Kurz vor dem Putsch in Ägypten wurden in den Emiraten die Urteile im sogenannten UAE-94-Prozess gesprochen, einem von Menschenrechtlern scharf kritisierten Massenprozess gegen 94 politische Aktivisten. 69 Angeklagte wurden zu Gefängnisstrafen zwischen 7 und 15 Jahren verurteilt – für ihre angeblichen Verbindungen zur Muslimbruderschaft, die sich gegen die Herrscher des Emirats verschworen hätten. Unter anderem hatten sie Wahlen zu einem Schura-Rat vorgeschlagen.

Mit dem neuen saudischen Engagement in Ägypten verschieben sich die regionalen Gewichte. Bislang bekamen die Muslimbrüder aus der Golfregion nur Unterstützung aus Katar, das durch den TV-Sender Al-Dschasira und seine Unterstützung für Revolutionäre beispielsweise in Libyen an Einfluss gewonnen hatte. Mit 8 Milliarden Dollar hatte Katar Mursi ausgeholfen. Jetzt gilt der Kleinstaat als der große politische Verlierer am Golf. Aber er macht gute Miene zum bösen Spiel: Auch Katar lobte jetzt die Rolle der ägyptischen Armee.

Der zweite Verlierer ist die Türkei. Erdogan hatte die Muslimbrüder offen unterstützt – politisch, aber auch finanziell. Jetzt hat er nicht nur ein Problem wegen des Gezi-Parks, sondern muss damit rechnen, dass sein regionaler Einfluss schwindet.

Ob die Rechnung Saudi-Arabiens, das Rad in Ägypten zurückzudrehen, aufgehen wird, bleibt offen. Die politische Landschaft jedenfalls wird sich neu formieren. Die ausgebooteten Muslimbrüder müssen sich neu positionieren. Schon jetzt schlagen sie mehr nationalistische als islamistische Töne an. Ob sie in Zukunft innerhalb oder außerhalb des politischen Systems agieren, hängt nicht nur von ihnen selbst ab.

Das innerägyptische Bündnis gegen sie wird indes auseinanderfallen, wenn den alten Revolutionären vom Tahrirplatz bewusst wird, dass am Aufstand gegen die Muslimbrüder auch zahlreiche Kräfte des verhassten Mubarak-Systems mitgewirkt haben, die jetzt wieder an die Macht wollen. Letztere haben in Saudi-Arabien einen potenten Bündnispartner. Der allerdings fürchtet nichts mehr als einen arabischen Wandel, der in eine demokratische Zukunft führt.