Im Visier: 25 von 76 Abgeordneten der Fraktion

ÜBERWACHUNG Der Bundes-Verfassungsschutz beobachtet seit Ende 2012 nur noch angeblich „extremistische“ Teile der Linken

BERLIN taz | Das Bundesamt für Verfassungsschutz kann mit dem Ramelow-Urteil vermutlich gut leben: Schon seit November 2012 wird dort nicht mehr die Linke als Gesamtpartei beobachtet. Im Visier sind nur noch „offen extremistische Zusammenschlüsse“ innerhalb der Partei. Als Folge würden, wie es heißt, auch nur noch Abgeordnete beobachtet, die solchen extremistischen Zusammenschlüssen angehören oder sie unterstützen. Das bedeutet: Auf der Ebene des Bundes hat das Amt praktisch die Entscheidung der Karlsruher Verfassungsrichter vorweggenommen. In den Ländern ist die Praxis uneinheitlich.

Im Saarland etwa wurde die Linke nie vom Verfassungsschutz beobachtet. Andere Länder wie Baden-Württemberg oder Sachsen folgen der halbherzigen Linie des Bundesamts oder haben diese schon früher verfolgt.

Dagegen wird in Bayern noch heute die Linke als Gesamtpartei beobachtet. Da die Linken aber nicht im bayerischen Landtag vertreten sind, hat das Urteil dort keine unmittelbaren Auswirkungen. Bodo Ramelow wurde nach eigenen Angaben nie informiert, dass dass das Bundesamt seine Personalakte gelöscht und damit die Beobachtung beendet hat. Das Bundesinnenministerium sagte nach dem Karlsruher Urteil jedoch, Ramelow werde „schon seit Längerem“ nicht mehr beobachtet.

In der scheidenden Bundestagsfraktion der Linken standen 2013 immerhin noch 25 von 76 Parlamentariern unter Beobachtung des Bundes-Verfassungsschutzes. Das Amt betonte jedoch, dass nur offen zugängliche Materialien gesammelt und keine nachrichtendienstlichen Mittel wie Wanzen oder V-Leute eingesetzt werden.

Der linke Innenpolitiker Jan Korte forderte nun, dass das Bundesamt „den Irrsinn der Überwachung“ generell einstellen solle. Es sei antidemokratisch, eine Oppositionsfraktion zu überwachen. Derzeit liegen rund 50 Klagen von einzelnen Abgeordneten der Linken beim Verwaltungsgericht Köln oder dem OVG Münster. Die Verfahren waren überwiegend ausgesetzt, um auf das Bundesverfassungsgericht zu warten.

Jetzt können wohl nur Abgeordnete wie Gregor Gysi und Petra Pau, die heute nicht mehr beobachtet werden, sicher damit rechnen, dass die einstige Beobachtung als rechtswidrig eingestuft wird. Wer jedoch heute noch beobachtet wird, muss vor Gericht wohl erst beweisen, dass er kein „Extremist“ ist.CHRISTIAN RATH, STEFAN REINECKE