„Sie wollten einfach nur töten“

NSU-PROZESS Yunus Turgut war nur zu Besuch in Rostock. Dann wurde er erschossen. Im Münchner Verfahren sagten jetzt die ermittelnden Beamten aus

AUS MÜNCHEN ANDREAS SPEIT

Er war nur zu Besuch in Rostock, half bloß am Döner-Imbiss „Mister Kebab Grill“ aus. Am 50. Verhandlungstag des NSU-Prozesses stand der Mord an Yunus Turgut im Mittelpunkt. Die Tatortauswertung, so betonte im Oberlandesgericht der Kriminalbeamte Andreas M., habe offenbart: „Die Menschen, die hier reingegangen sind, die wollten nicht rauben oder zerstören. Die wollten einfach nur töten.“

Am Mittwoch war der Beamte einer von sechs Zeugen zu der Erschießung von Turgut, die Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 25. Februar 2004 in Rostocker Ortsteil Toitenwinkel verübt haben sollen. Die mutmaßliche Dritte der NSU, Beate Zschäpe, wirkte bei den Ausführungen der Beamten nicht sonderlich berührt.

Zwischen 10.10 Uhr und 10.20 Uhr müssten laut Zeugen Mundlos und Böhnhardt am Tattag zu dem Imbiss, der sich in einem Container mit angebautem Vordach befand, gekommen sein. Kurz zuvor hatte der Zeuge Frank K. dort noch einen Kaffee getrunken. Ein abgelegener Ort hinter einer Poststelle, zwischen etwas weiter entfernten DDR-Plattenbauten und etwas näher gelegenen Einfamilienhäusern. „Ich als Einheimischer war noch nie an diesem Ort. Der ist so was von abgelegen“, sagte der Beamte. „Wir haben uns gefragt: Was sucht jemand hier in diesem Bereich?“ Die Tatortspuren, führte der Kriminalbeamte aus, ließen nur einen Schluss zu: „Die Täter sind rein, haben ihr Opfer zu Boden gebracht, fixiert und getötet.“ Drei Schüsse wurden auf Kopf und Hals abgegeben.

Im Saal A 101 war Mehmet Turgut, einer der Brüder von Yunus. Zwei Aussagen von Polizeibeamten musste er still hinnehmen. Eine Verwechslung der Vornamen der Brüder in ihren Pässen führte zu verstärkten Ermittlungen wegen vermeintlichen Asylbetrugs. Yunus hieß in den Dokumenten Mehmet, und Mehmet Yunus. Die Familie unternahm nichts gegen die Namensdreher. Bis in die Türkei reisten Beamte, um zu den Turguts zu ermitteln. Nach einer Wochen wussten sie: Von einem rechtsextremen Hintergrund war nicht auszugehen. Sie bekamen aber keine Hinweis von Verfassungsschutz oder Staatsschutz. Eine Pressemitteilung wurde verschickt. Keine drei Wochen später war ermittelt, dass die verwendete Waffe eine Ceska 83 war, die bereits bei vier Morden als Tatwaffe benutzt worden war. Die Rostocker Ermittler übergaben den Fall am 1. April 2004 der Soko „Halbmond“ in Nürnberg.

Der Betreiber des Imbisses, Aydin H., hatte Yunus Turgut in eine Blutlache auf den Imbissboden gefunden, ihn aus den Container herausgezogen und um Hilfe gerufen. Er sagte nach Redaktionsschluss aus.

Offen ist nach wie vor, warum der NSU vor der Rostocker Tat zweieinhalb Jahre lang keinen Mord beging. Sein vorheriges Opfer, der Münchner Gemüsehändler Habil Kilic, starb am 29. August 2001.

Am Dienstag hatte die Zeugin Andrea C. Zschäpe belastet. Sie will sie vor dem Mord an Ismail Yasar in Nürnberg 2005 in einem Supermarkt gesehen haben: „Sie stand direkt vor mir.“