„Sie sind sehr geschäftstüchtig“

CHINA Der große Einfluss des mächtigen Nachbarn bereitet immer mehr Birmesen Unbehagen

VON KHIN SU WAI
UND HSANN NYEIN

Der historische Besuch von US-Präsident Barack Obama in Myanmar im Mai dieses Jahres hat das Verhältnis zu einem ganz anderen Land in den Blickpunkt gerückt: zu China. Die traditionell gute Verbindung zu dem mächtigen Nachbarn im Norden ist in letzter Zeit brüchig geworden. China habe zu großen Einfluss auf Myanmar, lautet die Kritik. Es nutze die Situation aus, um Rohstoffe zu billig einzukaufen.

Der Streit entzündet sich auch an chinesischen Großprojekten wie dem Staudamm Myitsone am Irrawaddy, an Öl- und Gaspipelines sowie an der Kupfermine Letpadaung im Kachin-Staat. Die Projekte verschmutzten die Umwelt und sind mit Menschenrechtsverletzungen verbunden, lauten die Vorwürfe. Bei der Kupfermine etwa seien Menschen ohne Entschädigung von ihrem Land vertrieben worden.

Dies alles führte 2011 zur Entscheidung, den Bau des Myitsone-Staudamms zu stoppen, für den 10.000 Menschen hätten umgesiedelt werden müssen. Schließlich ist der Irrawaddy „die Hauptschlagader Myanmars“, sagt der Journalist Aung Myint Myint aus der Stadt Sagaing.

Myanmar bemüht sich inzwischen um die Aufmerksamkeit vieler Regierungen, darunter gerade auch die asiatischen. Es wirbt vor allem um Indien, mit dem es eine lange Grenze teilt. Und es streckt seine Fühler nach Japan und den Asean-Staaten aus. Doch weiterhin spielt China eine überragende Rolle im „Goldenen Land“. Knapp 95.000 chinesische Touristen kamen 2012. In Mandalay, Myanmars zweitgrößter Stadt, sind die Hälfte aller registrierten Ausländer Chinesen. Nicht eingerechnet sind Hunderttausende ethnischer Chinesen, die hier schon lange leben. Vermutlich weitere 1,6 Millionen chinesische Staatsbürger leben illegal im Land.

Chinesisches Mandalay

Die Rolle der Chinesen in Myanmars Gesellschaft werde auf allen Ebenen immer deutlicher, sagt Ko Wunna aus dem nördlichen Myitkyna. „Und sie sind sehr geschäftstüchtig.“ Der prominente Pop-Sänger Lin Lin drückt die verbreitete Sorge, Mandalay könne zur chinesisch geprägten Stadt werden, in dem Lied „Königsstadt – Mandalay wurde begraben“, aus.

Chinesische Megaprojekte lockten Tausende Arbeiter an. Allein die kombinierte Öl- und Gaspipeline brachte für Hunderttausend Chinesen Lohn und Brot in Myanmar. Die Folgen für kleine und mittlere Geschäfte sind nicht zu übersehen: Ma Ei Eis Phyus Juwelierladen in Mandalays 80. Straße nimmt 10.000 US-Dollar mehr am Tag ein, wenn ein Bus chinesischer Touristen in die Stadt rollt. Mit Sorge sehen die Birmesen auch den Menschenhandel. Mädchen aus Myanmar werden nach China verkauft, wo sie gezwungen werden, Chinesen zu heiraten.

China investiert weniger

China ist Myanmars stärkster Handelspartner, beide Länder tauschten 2012/2013 Waren im Wert von 5,11 Milliarden US-Dollar aus. Doch offizielle Daten zeigen, dass die engen Beziehungen lockerer werden. Von 2008 bis 2011 investierte China 12 Milliarden US-Dollar, 2012 bis 2013 schrumpfte die Summe auf 407 Millionen US-Dollar.

Chinas Botschafter in Myanmar, Yang Houlan, spielt diesen Rückgang herunter: Die Rolle kleinerer und mittlerer chinesischer Unternehmen in der Textilindustrie, der Telekommunikation und der Leichtindustrie nehme nach wie vor zu, sagte er kürzlich. Trotz wachsender Opposition in Myanmar werden in den kommenden Jahren wohl weitere Chinesen in das Goldene Land ziehen. Die Beziehungen zu China dürften stark bleiben – wenn auch von Kontroversen und Streit überschattet.

Redaktion: Sven Hansen

Mitarbeit: Andreas Lorenz, Michael Sontheimer

Layout: Nadine Fischer

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