„Die alten Schlachten sind geschlagen“

SCHULEN Die Kultusministerkonferenz wird zum ersten Mal von einer Grünen geführt. NRWs Bildungsministerin Löhrmann will vor allem die Inklusion vorantreiben. Aber nicht zu sehr

■ Jahrgang 1957, ist seit 2010 Ministerin für Schule und Weiterbildung in NRW. Seit Jahresbeginn ist sie Präsidentin der Kultusministerkonferenz.

taz: Frau Löhrmann, Sie sind die erste grüne Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK). Was machen Sie anders als Ihre 74 Vorgänger?

Sylvia Löhrmann: Ich habe ein ganzheitliches Bildungsverständnis und sehe soziale Gerechtigkeit nicht im Widerspruch zu guter Leistung. Und ich setze auf Vielfalt und Entwicklung von unten.

Was heißt das für Ihr neues Amt?

Ich werde konstruktiv mit allen agieren. Die alten Schlachten scheinen geschlagen, wir arbeiten unsere Agenda ab: Weiterentwicklung des Bildungsmonitorings, Inklusion als Herausforderung für alle 16 Länder. Hier sollten wir die nächsten Schritte systematisch angehen.

Abarbeiten, fortsetzen – als hätte die KMK Sie als Beamtin eingestellt. Wollen Sie keine eigenen politischen Akzente setzen?

Ich habe zum Beispiel das Thema Erinnerungskultur auf die Agenda gesetzt. Herzensangelegenheit ist mir auch, dass Integration gelingt und Kinder mit Migrationshintergrund gleiche Chancen haben. Aber das sind Daueraufgaben, die brauchen einen langen Atem. Von Aktionismus haben die Schulen die Nase voll.

Der langjährige Behindertenbeauftragte Hubert Hüppe hatte zuletzt gefordert, das Tempo bei der Integration deutlich zu erhöhen.

Das Thema ist wichtig, muss aber so umgesetzt werden, dass möglichst viele den Weg mitgehen. Bei uns in NRW bestimmen die Eltern das Tempo, also es gibt das Recht auf, aber keinen Zwang zur Inklusion.

In NRW besuchen 40 Prozent der Kinder mit Förderbedarf eine Regelschule, in Bremen doppelt so viele. Was tut die KMK, damit alle Länder zumindest auf einen ähnlichen Stand kommen?

Im Sommer wird die KMK ein erstes Fazit ziehen, wie weit die Länder bei der Inklusion sind. Wir werden uns kollegial darüber austauschen, was sich bewährt hat. Unser Ziel ist, in diesem Jahr Empfehlungen für die inklusive Lehrerbildung zu erarbeiten. Inklusion bricht mit bestimmten Mustern des gegliederten Schulsystems. Deshalb müssen wir viel Überzeugungsarbeit leisten. Gute Aus- und Fortbildung sind das A und O.

Wieso tauschen sich nur die Politiker aus – und finanzieren kein bundesweites Austauschprogramm für LehrerInnen?

Die KMK trifft Vereinbarungen, die Gesetze werden in den Ländern gemacht.

Resultat sind extrem unterschiedliche Lernbedingungen für Schüler. Zwischen Bremen und Sachsen herrschen Unterschiede wie zwischen Kasachstan und Deutschland. Welche Antwort hat die KMK darauf?

Wir wollen enger mit der Bildungswissenschaft zusammenarbeiten und konkretere Antworten darauf erhalten, was etwa Sachsen bei Mathe und Naturwissenschaften besser macht und wie andere Länder davon lernen können.

Sind Sie optimistisch, dass auch der Bund Schulen wieder mitfinanziert?

Ich werbe für ein Kooperationsgebot. Die Große Koalition hat diesen großen Fehler leider nicht behoben. Deswegen bleibt uns jetzt auszuloten, ob der Bund bereit ist, sich etwa bei den Integrationshelfern finanziell zu beteiligen. Der Anspruch von Kindern mit Handicap auf Integrationshelfer resultiert aus dem Bundessozialgesetz, im Moment bezahlen das die Kommunen. Eigentlich gilt aber, wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen, also der Bund.

Hat der Bund schon signalisiert, dass er dazu bereit ist?

Nein, weder die alte noch die neue Regierung. Umso wichtiger ist es, dass wir Länder da an einem Strang ziehen.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN