Migranten droht Edathy-Effekt

DOPPELPASS Die SPD zerlegt sich in Bund und Ländern über den Kompromiss zur Optionspflicht. Die Union pocht derweil auf den Koalitionsvertrag

Der Gesetzentwurf sei „noch nicht der Weisheit letzter Schluss“, meint SPD-Vize Ralf Stegner

VON DANIEL BAX

Die Edathy-Affäre bringt die SPD unter Druck. In den Ländern geben sich die Parteioberen noch kämpferisch. Wer erwarte, „dass die SPD jetzt im Büßerhemd auftritt, der ist schief gewickelt“, erklärte der Berliner SPD-Chef Jan Stöß dem Kölner Stadt-Anzeiger. Und der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel tönte: „Wer glaubt, uns angesichts der schwierigen Lage in die Ecke drücken zu können, dem kann ich nur sagen: Vergiss es!“ Doch in Berlin gab die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi bereits klein bei: Die SPD stehe zum Koalitionsvertrag, erklärte sie schmallippig. Indirekt pfiff sie damit eine SPD-Initiative aus den Bundesländern zurück.

Durch die SPD geht ein Riss. Es geht dabei um den Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft, dem die SPD-Spitze zugestimmt hat. Bisher müssen sich Einwandererkinder im Alter zwischen 18 und 23 Jahren entweder für die Staatsangehörigkeit der Eltern oder die deutsche entscheiden. Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, diese umstrittene Optionsregelung für in Deutschland „geborene und aufgewachsene“ Kinder abzuschaffen. Dabei blieb unklar, was genau unter „aufgewachsen“ zu verstehen ist.

Vor zwei Wochen hat nun Innenminister Thomas de Mazière (CDU) dazu einen Gesetzensentwurf vorgelegt, der jetzt mit den Ministerien abgestimmt werden muss. Demnach sollen Betroffene einen deutschen Schulabschluss vorweisen, wenn sie den deutschen Pass behalten wollen. Alternativ könnten sie per Meldebescheinung nachweisen, dass sie mindestens zwölf Jahre in Deutschland gelebt haben. Die SPD ist davon nicht begeistert. Er setze den Koalitionsvertrag nur „buchstabengetreu“ um, verteidigte sich de Mazière dagegen.

Nun droht der Streit auf offener Bühne auszubrechen. Drei Länder, wo die SPD mit den Grünen regiert, sind vorgeprescht: Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz wollen im März im Bundesrat eine Initiative einbringen, die sogenannte Optionspflicht ganz abzuschaffen. Die Union zeigte sich empört und forderte SPD-Chef Sigmar Gabriel auf, ein „Machtwort“ zu sprechen. Alles andere sei ganz klar ein „Vertragsbruch“, schäumte der CDU-Bundesvize Thomas Strobl.

Die SPD steckt damit in der Bredouille. Der Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium sei „noch nicht der Weisheit letzter Schluss“, sagte der SPD-Parteivize Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein. Andere Länder, in denen die SPD mitregiert, darunter Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Bremen und Niedersachsen, teilen die Kritik, beteiligen sich aber nicht am Bundesratsvorstoß.

Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) mahnte gegenüber der taz „eine unbürokratische Lösung“ an. Der Entwurf von de Mazière bedeute „letztlich für den Staat nur Aufwand und Kosten“. Auch Aydan Özoguz, SPD-Vize und Staatsministerin für Integration, sagte der taz: „Es gilt eine vernünftige Lösung zu finden, um den Aufwand für die Kommunen so gering wie möglich zu halten.“ Die Hoffnung darauf schwindet in Berlin aber mit jedem Tag.

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