KOMMENTAR VON KLAUS-HELGE DONATH ZUR LAGE IN RUSSLAND UND DER UKRAINE
: Berliner Kuscheldiplomatie

Jeder Tag Kontakt mit der Gruppe ist ein Gewinn für Putins Truppe

Wladimir Putins Anhänger übertreiben maßlos, wenn sie vor der faschistischen Bedrohung aus der Ukraine warnen. Niemand bestreitet, dass es dort einflussreiche rechtsradikale Kräfte gibt. Doch sind sie in der Ukraine nicht zahlreicher als in anderen europäischen Demokratien.

Was Russland von Kiew und den europäischen Staaten unterscheidet, ist der Umstand, dass Rechtsradikale in Moskau nicht auf der Straße demonstrieren, sondern im unmittelbaren Umfeld der Macht anzutreffen sind. Rassismus, Ausgrenzung, Rechtsnihilismus, Doppelstaat und Gewalt sind konstituierende Momente des zumindest protofaschistischen Unrechtsstaates. Sie nennen es „wertkonservativen Patriotismus“.

Angela Merkel versucht unterdessen, auf Putin einzuwirken. Der Kremlchef soll der Einrichtung einer Kontaktgruppe und der Entsendung einer „fact finding mission“ zugestimmt haben. Ein Erfolg? Oder hatte Putin mit so etwas gerechnet? Er kennt die Berliner Kuscheldiplomaten. Natürlich darf der Kontakt zu Moskau nicht abgebrochen werden. Aber Moskau nützt die Zeit, die bis zur Einrichtung einer solchen Kontaktgruppe verstreichen wird, um vollendete Tatsachen zu schaffen.

Putin geht es dabei nur vordergründig um die Krim. Er will die Interimsregierung in Kiew beseitigen und seine Handlanger auf Dauer (re-)installieren. Jeder Tag Kontakt mit der Gruppe ist ein Gewinn für seine Truppe. Für die „richtigen“ Fakten der Mission wird er sorgen. Zufällig ist die Region, die die Ermittler unter die Lupe nehmen sollen, die Geburtsstätte jener schönen Scheinwelt der Potemkinschen Dörfer, die kurz vor der russischen Eroberung der Krim Ende des 18. Jahrhunderts entstanden.

Zugegeben, Möglichkeiten, auf Russland einzuwirken, gibt es kaum. Und doch muss sich der Westen nicht alles gefallen lassen. Die Suspendierung der Gespräche zum G-8-Treffen war insofern ein Akt der Selbstachtung. Moskaus Mitgliedschaft auszusetzen wird die Lage nicht ändern, den ambitionierten Weltmachtpolitiker Putin aber empfindlich treffen.

Die deutliche Sprache des US-Außenministers Kerry war das richtige Signal. Obama muss handeln; Visa und Konten zu sperren wäre ein Mittel, um zu testen, wie stark die Elite hinter Putin steht. Allerdings besteht die Gefahr der Überreaktion. Man muss Russland auch vor sich selbst schützen.