Der Mossad auf dem Mond

TRÜGERISCH Warum Menschen an Verschwörungen glauben und was das mit Macht zu tun hat. Ein psychologisches Einmaleins

■ In drei Schritten zur erfolgreichen Verschwörungstheorie – ein Rezept zum Selbermachen:

■ 1. Knete deine Eigengruppe: Nation, Kiez oder Verein – appelliere an gemeinsame Werte!

■ 2. Das Feindbild bringt die Schärfe: Manipuliere die Gruppe, erfinde einen Angriff von „außen“! Mossad, Schwaben oder die Münchener Staatsanwaltschaft – Feind ist, was du daraus machst. Mit Zutaten aus der Gerüchteküche am Köcheln halten.

■ 3. Die Messer wetzen: Hetze die Meute los, verbiete, was deine Macht gefährdet, und mache deine Kritiker mundtot. Für die Verteidigung „unserer Werte“ ist alles erlaubt!

Die Mondlandung ein Fake, die Illuminaten nah an der Weltherrschaft – Verschwörungstheorien bieten Erklärungen für viele Phänomene und Ereignisse der teils skurrilen Lebenswirklichkeit von Menschen. Mitunter sind die Theorien gar skurriler als die Ereignisse, die sie zu erklären versuchen. Aliens in geheimen CIA-Stützpunkten? Eine Zeitmaschine im Vatikan? Verschwörungstheorien entstehen oftmals aus Misstrauen oder Hilflosigkeit gegenüber Machtverhältnissen. Wer sich Verschwörungstheorien in die Welt setzt oder ihnen anhängt, sieht sich meist als Enthüller eines von den „Mächtigen“ wohl behüteten Geheimnisses – umgekehrt bedienen sich auch Autokraten zum Machterhalt immer wieder der Behauptung eines gegen sie geschmiedeten Komplotts.

Was macht Menschen anfällig für den Einfluss von Verschwörungstheorien? Psychologen der US-amerikanischen Yale University sehen in einer Studie von 2011 Machtlosigkeit als zentrale Ursache an. Wer sich so fühlt, neigt zum Glauben an die übergroße Macht der Mächtigen. Aber auch da, wo Wissenschaftler keine logischen Erklärungen für rätselhafte Phänomene finden oder Politiker kein Rezept parat haben, sind Verschwörungstheorien ein willkommenes Werkzeug. Sie binden ihre Anhänger an eine bestimmte Weltanschauung und sind kaum widerlegbar: Kritiker und ihre Argumente werden kurzerhand zum Teil der Verschwörung erklärt.

„Verschwörungstheorien sind nicht nur eine Sache der Individualpsychologie. Sie haben auch einen sozialen Sinn“, sagt der Psychiater Thomas Grüter, der an der Universität Bamberg zu dem Thema forscht. Manche Verschwörungstheorien erreichten in der Bevölkerung Zustimmungsraten von 70 bis 80 Prozent. Sie sind also nicht nur die Sache verschrobener Randgruppen. Ob sie plausibel erscheinen, hänge auch von den Umständen ab: „In bestimmten Situationen verbreiteten sich Verschwörungstheorien ausgesprochen schnell“, sagt Grüter und verweist auf die Dolchstoßlegende in national gesinnten Kreisen nach dem Ersten Weltkrieg .

Verschwörungstheorien erscheinen plausibel, wenn sie Ereignisse so erklären, dass ihre Verfechter möglichst wenig am eigenen Weltbild ändern müssen. Sie bezichtigen eine fremde Gruppe des Angriffs auf die Werte der eigenen Gruppe. Damit sie in das Weltbild derer passen, die sie glauben sollen, greifen Verschwörungstheorien dabei oft auf Stereotype zurück. So konnten Vertreter der Dolchstoßlegende weiterhin glauben, das deutsche Heer sei im Krieg unbesiegt geblieben – und stattdessen auf die verhassten Sozialdemokraten verweisen, die das „Volk“ verraten hätten.

Die Beschwörung eines äußeren Feindes wird oft dazu benutzt, den Zusammenhalt nach innen zu stärken – und eine Reaktion, das eigene Handeln zu rechtfertigen. So kann der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, durch einen Telefonmitschnitt selbst der Korruption verdächtig, mit Verweis auf eine Verschwörung rechtfertigen, dass er, statt die Korruption zu verfolgen, lieber den Zugang zu YouTube und Facebook einschränkt. JENS AUGSPURGER TIM LUDWIG MIGUEL DE LA RIVA