Salafistenversammlung in Hannover: Seltsame Demonstrationsallianz

Der Prediger Pierre Vogel provoziert Proteste: „Hannoveraner“ gegen Fremde, Anarchisten gegen Rassismus, Muslime gegen Radikalisierung, Christen für Jesus.

Für viele zum Fürchten: der salafistische Prediger Pierre Vogel. Bild: dpa

HANNOVER taz | Er ist ein Star der Szene: Pierre Vogel. Einst erfolgreicher Jugendboxer und heute einflussreichster Salafist. Am Samstagnachmittag sprach Abu Hamza, so Vogels Name nach der Konvertierung, in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Mitten in der Innenstadt am Kröpcke.

Vor über 200 Anhängern ermutigte der umstrittene Prediger sein Publikum dazu, „in die größte Familie der Welt“ einzutreten und mahnte: „Lasst euch nicht provozieren.“ Eine Warnung, da anlässlich der Veranstaltung des Vereins „Der Schlüssel zum Paradies“ zahlreiche Gegendemonstranten in die Innenstadt gekommen waren – darunter auch die rechtspopulistische Wählergemeinschaft „Die Hannoveraner“.

Bei der Vielzahl an unterschiedlichen Demonstrationen konnten Passanten leicht den Überblick verlieren. Denn rund um die Kundgebung des salafistischen Vereins demonstrierten rund 50 Muslime gegen die radikalen Islamisten und eine kleine Gruppe Antifaschisten gegen „Rassismus und Islamismus“. Zwischen den Salafisten standen einige Christen mit einem großen „Jesus rettet“-Schild.

Da gab es ein großes Hin und Her zwischen dem Kröpke mit der Kundgebung der Salafistenund dem Opernplatz mit dem Infostand der „Hannoveraner“.

Der Begriff "Salafismus" kommt aus dem Arabischen und bedeutet: die frommen Altvorderen.

Salafisten predigen einen Islam, der sich eng am Wortlaut des Koran und den Überlieferungen aus dem Leben des Propheten (Sunna) sowie seiner frühen frommen Gefährten orientiert.

2012 schätzte der Verfassungsschutz die Zahl der Anhänger bundesweit auf 4.500 und in Niedersachsen auf etwa 300.

Salafistische Vereine wie "Der Schlüssel zum Paradies", zu dem auch Pierre Vogel gehört, werden vom Verfassungsschutz beobachtet. (epd)

Dort schwenkten Anhänger der „Identitären Bewegung“ (IB) ihre gelb-schwarzen Fahnen mit dem griechischen Buchstaben Lambda. „100% Identität – 0% Rassismus“ ist einer ihrer Slogans. In ihrem Positionspapier mit dem selben Titel legen sie allerdings dar, dass „heute der größte Rassismus in unserem Land von migrantischen Banden gegen Deutsche“ ausgehen würde.

Aussagen, an denen sich Jens Böning nicht zu stören scheint. Der Parteivorsitzende der Hannoveraner distanzierte sich nicht von der Gruppe, sagte nur: „Verfassungsfeinde werden hier nicht geduldet“ und führte aus, sie seien eine demokratische Partei, die andere „Ethnien und Religionen“ achten würden, „solange sie sich an unsere Gesetze und Regelungen halten“.

Diese bemüht moderate Rhetorik der „Hannoveraner“ kennt Freya Markowis aus dem Stadtrat. „Diese Wählergemeinschaft bewegt sich zwischen rechtskonservativ und rechtspopulistisch“, sagt die stellvertretende Vorsitzenden der Grünen Ratsfraktion. Die „Hannoveraner“ würden immer wieder vor einer anhaltenden, vermeintlich unverantwortlichen Einwanderung warnen. Oliver Förste, Vorsitzender der Linken Stadtratsfraktion, sagt zu der Böning-Demonstration: „Gegen fundamentale Islamisten demonstrieren fundamentale Christen.“

Am Infostand der Hannoveraner zeigten die rund 50 Personen ihre Sorgen vor „dem Fremden“ und dem Verlust „des Eigenen“. Auf gleich drei Schildern stand der Satz „Wir wollen euch nicht.“ Mit dabei war auch die „German defence league“ (GDL). Die GDL hat ihr Vorbild in England, die IB in Frankreich. Beide Gruppen sehen sich im Kampf gegen eine Islamisierung des „europäischen Abendlandes“.

Vom Stand der Hannoveraner trotteten die rund zehn Männer und eine Frau der IB und der GDL irgendwann das Niedersachsenlied schmetternd weiter in Richtung Kundgebung. Als die Polizei die Gruppe stoppte, mischten sich die Rechten unter die demonstrierenden Muslime, die sich von Salafisten wie Vogel distanzieren wollen. Böning erklärte: „Wir haben heute die gleichen Ziele.“ Einen Widerspruch sehe er nicht.

Eine der Verantwortlichen dieser Aktion, die Muslimin Mona Nasrallah, war von den Deutschland-Fahnen schwenkenden Unterstützern jedoch schockiert: „Wir wussten nicht, dass das eigentlich Nazis sind“, sagte sie und sprach sich über die Lautsprecheranlage gegen die unliebsamen Mitdemonstranten aus. Ein Teilnehmer, Halil Shahin, sagte, „die Rechten haben die Demonstration missbraucht, um sich harmloser zu präsentieren, als sie sind.“

Diese Sorge teilt auch Markowis. Die grüne Kommunalpolitikerin befürchtet, dass die „Hannoveraner“ versuchen, die antiislamistische Stimmung der Mitte der Gesellschaft aufzuheizen. Die Salafisten, so Förste, spielten „dem rechten Rand“ zu. Doch auch den Salafisten-Verein, der ein Missionszentrum in der niedersächsischen Landeshauptstadt plant, sieht Förste kritisch: „Gegen diese salafistische Sekte hilft kein Demonstrieren, sondern Aufklären.“

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