Göttinger Polizeieinsatz hat Nachspiel

ABSCHIEBUNG Pfefferspray und Schläge: Grüne wollen Verantwortung klären. Polizeichef unter Druck

Die Ankündigung von Abschiebeterminen sei Schuld, meint die CDU

Der ruppige Polizeieinsatz gegen Abschiebegegner in der vergangenen Woche in Göttingen (taz berichtete) hat ein Nachspiel im Landtag. Grüne und die CDU verlangen – mit unterschiedlicher Intention – die Aufklärung der Vorgänge und eine Unterrichtung im Innenausschuss. Zugleich werden Forderungen nach einer Ablösung des Göttinger Polizeichefs Robert Kruse laut.

Die Göttinger Ausländerbehörde wollte am Donnerstagmorgen einen 30-jährigen Somalier nach Italien abschieben. Der Mann war im Herbst über Italien nach Deutschland geflüchtet, nach dem sogenannten Dublin-III-Abkommen ist das Land deshalb für sein Asylverfahren zuständig. Um die Abschiebung zu verhindern, hatten sich etwa 50 Menschen vor seiner Wohnung versammelt und das Treppenhaus besetzt.

Polizisten hatten sich über eine Kellerwohnung Zugang verschafft. Augenzeugen berichten von massiven Schlägen gegen sitzende Demonstranten, dem Einsatz von Pfefferspray im Treppenhaus sowie von Polizeihunden. Rund ein Dutzend Unterstützer des Somaliers seien verletzt worden, zwei von ihnen zeitweise bewusstlos gewesen.

Die Polizei behauptete, Demonstranten hätten die Beamten zuvor attackiert. Da neben der Verhinderung der „hoheitlichen Rückführungsmaßnahme“ weitere Bewohner am Verlassen des Hauses gehindert worden seien, hätten Polizisten die „Störer“ vor das Haus getragen.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Anja Piel, hält es für erforderlich, den Ablauf der gesamten Aktion umfassend und die Verantwortung dafür zu klären. Der CDU-Abgeordnete Ansgar Focke bezeichnete die Auseinandersetzungen als „Ergebnis realitätsfremder Asylpolitik von Rot-Grün“. Die Ankündigung von Abschiebeterminen führe dazu, dass Betroffene vorher abtauchen könnten oder Demonstranten eine Rückführung mit allen Mitteln zu verhindern versuchten. „Das ist Krawall mit Ansage“, sagte Focke.

Das Göttinger Bündnis „Extrem daneben“, dem neben der Grünen Jugend auch die Jusos und andere linke Gruppen angehören, forderte am Montag ein Ende der „Gewaltexzesse“ durch die Polizei. Verantwortlich dafür sei der Polizeichef. Der vom damaligen Landesinnenminister Uwe Schünemann (CDU) vom Verfassungsschutz an die Spitze der Göttinger Polizei versetzte Kruse gehöre „abgesägt“.REIMAR PAUL