Abschied des Alphatiers

Er hat sich einen würdigen Rahmen ausgesucht, um seinen Abschied zu verkünden. Auf dem Bundeskongress der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) am Samstag in Berlin gab ihr langjähriger Vorsitzender Kenan Kolat bekannt, er werde sein Amt aufgeben.

Auf dem Kongress war allerhand Politprominenz zugegen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Gregor Gysi, Cem Özdemir, Armin Laschet und Christian Wulff. Der Aufmarsch verdeutlicht, zu welcher Bedeutung Kolat seinen Verband in seiner achtjährigen Amtszeit verholfen hat. Die Türkische Gemeinde ist heute nicht nur der Verband, der am meisten für die größte Einwanderergruppe spricht, sondern auch der, der am ehesten Gehör findet. Unter Kolat hat sich der Verband modernisiert und professionalisiert, er hat sich eine Frauenquote gegeben und sich von einer überholten Türktümelei verabschiedet. Was nicht heißt, das Kolat nicht weiter gelegentlich zu den Geschehnissen in der Türkei Stellung genommen hätte.

Kolat wuchs in Istanbul auf, wo er das deutsche Gymnasium besuchte, kam mit 21 nach Deutschland und blieb aus politischen Gründen. Nach dem Putsch in der Türkei studierte er hier, um Seeverkehrs-Ingenieur zu werden, und engagierte sich in der Sozialdemokratie. 2005 übernahm er den Vorsitz der Gemeinde. Zu Kolats Nachfolger wurden als Doppelspitze der Betriebswirt Safter Cinar, bisher Vorsitzender des Landesverbands Berlin-Brandenburg, und der Stuttgarter Sozialpädagoge Gökay Sofuoglu gewählt.

Für seinen Verzicht auf das Amt führte der 54-Jährige gesundheitliche Gründe an. Er habe zuletzt „sehr viel Stress“ gehabt und wolle nicht „auf kleiner Flamme“ arbeiten, sagte er. Sein Schritt kam für viele Mitglieder aber überraschend. Als seine Ehefrau Dilek Kolat, wie er in der SPD, 2011 in Berlin zur Sozialsenatorin ernannt wurde, war er bereits als Geschäftsführer des Berliner Landesverbands zurückgetreten, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Ihr werden jetzt Ambitionen nachgesagt, Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zu beerben. Möglich, dass er ihren Gegnern da keine weitere Angriffsfläche bieten wollte. DANIEL BAX