Immigration als Kunstform

KUNST Formulare gibt es nicht, dafür aber etwas zu sehen und zu hören plus ein Bier: Fünf Kunst-Studierende eröffnen Am Dobben ein Immigration Office

Bis zur offiziellen Eröffnung gibt’s mittwochs einen One Night Stand

Halb neun an einem Mittwoch im Viertel, das Wetter hat sich an diesem Aprilabend für ein paar milde Frühlingsstunden entschieden. Eine Menschentraube aus vielleicht 30 jungen Leuten bildet sich vor dem hell erleuchteten großen Fenster des ehemaligen Ladengeschäfts Am Dobben 36. Drinnen sitzt man auf zwei schlichten Holzbänken, das Bier kommt direkt aus dem Kasten. Willkommen beim „One Night Stand“ – ein Blitzausstellungsformat, jeweils mittwochs, bei dem genau einen Abend lang Künstler ihre Arbeit im kleinen Lagerraum hinten vorstellen.

An jenem Aprilabend war der 30-jährige Gustavo Mendez dran gewesen, der aus Kolumbien stammt. In dem Raum mit charakteristischen Fliesen im Schachbrettmuster und imposanten Alu-Fleischerhaken an der Decke hatte er damals sein Zelt aufgeschlagen.

Und zwar im Wortsinne: Ausgestattet mit Tisch, zwei Stühlen und allerhandl elektrischen Gerät lud er immer je eine Person zu sich in den Kunststoff-Iglu zu schamanischen Privatsessionen, von denen Lachen, Raunen und Knurrgeräusche in den Vorraum drangen.

Offiziell eröffnet das „Immigration Office“ erst am 23. 5. mit einer großen Ausstellung. Dann sollen auch die Kellerräume genutzt werden. Mit dem Namen verfolge man kein politisches Programm, erklären die jungen Künstler-GaleristInnen Daniela Reina, Camila Riveros, Paula Hurtado, Zhe Wang und Lucas Odahara – auch wenn sie alle, die drei Kolumbianerinnen, die Chinesin und der Brasilianer, so ihre Erfahrungen mit den deutschen Visabehörden gemacht haben: Eher sollen Kunst und Galeriekonzept ein selbstbewusstes Statement formulieren, Mobilität auf einem globalisierten Planeten besser selbst in die Hand zu nehmen, als sich von den Behörden bewegen zu lassen: „We make art until our visa expires“, Kunst bis die Aufenthaltsgenehmigung abläuft, so lautet das Motto. Zentraler Teil des Konzepts, mit dem sie Barbara Alms, die Eigentümerin der Galerieräume, überzeugt haben, ist denn auch der globale künstlerische Austausch. Bei den für dieses Jahr geplanten fünf Ausstellungen wollen sie jeweils einen jungen Bremer mit Künstlern aus dem Ausland zusammenbringen. Vom 23. 5. bis 6. 6. werden die fünf aber erst mal ihre eigenen Arbeiten zeigen und alle BremerInnen einladen, in ihre Kunstwelten zu immigrieren. TIMON MÜRER

Letzter One Night Stand: heute, 20 Uhr, mit Zhe Wang. Weitere Infos: www.immigrationoffice.tumblr.com