Drei Morde, zwei Haltungen, keine Antwort

ISRAEL Nach dem Tod der entführten Teenager plädieren rechte Politiker für neue Siedlungen. Das linke Lager warnt dagegen vor Reisen durch besetztes Gebiet

Der Riss zwischen rechts und links droht Israel noch tiefer zu spalten

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Israels Verteidigungsminister Mosche Jaalon will nicht ruhen, bis die Mörder der drei jungen Israelis zur Verantwortung gezogen werden. Mit drei separaten Trauerfeiern und der Bestattung der ermordeten Teenager Seite an Seite nebeneinander ging am Dienstag eine der spektakulärsten Entführungsaffären in der Geschichte des Landes zu Ende. Freunde und Verwandte der drei Jungen versammelten sich am Nachmittag in den verschiedenen Heimatorten, um die Reden der engsten Familienangehörigen, der Rabbiner und Politiker zu hören. Anschließend setzten sich die Trauerzüge in Richtung Modein in Bewegung, wo Tausende Israelis der Beerdigung der drei jungen Israelis beiwohnten.

Am Vorabend hatte die Polizei bekannt gegeben, die Leichen der seit fast drei Wochen Vermissten auf einem Acker zwischen Bethlehem und Hebron verscharrt gefunden zu haben. Ein freiwilliger Helfer war auf den Steinberg aufmerksam geworden. 18 Tage lang hatte ein militärisches Großaufgebot nach den Entführten gesucht, Razzien in 2.000 Häusern vorgenommen und Hunderte Palästinenser verhaftet. Regierungschef Benjamin Netanjahu berief im Anschluss an die Beerdigung erneut das Kabinett ein, um über Vergeltungsschläge gegen die Hamas zu beraten, die er von Beginn der Entführung an für verantwortlich hält und die „den Preis bezahlen wird“. Bereits in der Nacht hatten israelische Piloten Dutzende Einrichtungen der Hamas im Gazastreifen angegriffen. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben fünf Menschen verletzt. Es war der heftigste Luftangriff auf das Palästinensergebiet seit dem letzten großen Schlagabtausch zwischen Israel und der dort herrschenden Hamas im November 2012.Umgekehrt schossen die Islamisten 15 Raketen auf Israel ab.

Der Autopsie zufolge waren der 19-jährige Eyal Ifrach und die beiden 16-jährigen Talmudschüler Gilad Schaer und Naftali Frenkel schon in den ersten Minuten nach der Entführung erschossen worden. Gilad gelang es noch, die Polizei zu verständigen. „Ich bin entführt worden“, flüsterte er in sein Handy, bevor die Leitung unterbrochen wurde. Dass die Beamten, die den Anruf hörten, nicht schneller reagierten und die Suche nach den Vermissten erst Stunden später begann, war in den vergangenen Wochen Grund für breite Empörung in der Bevölkerung. Vier Polizisten sind inzwischen vom Dienst suspendiert worden. Erst seit Montag ist klar, dass die Teenager ohnehin nicht mehr hätten gerettet werden können.

Die Suche nach den beiden Palästinensern Marwan Kawasme und Amar Abu Aysha, die als Hauptverdächtige gelten, dauerte am Dienstag an. Die israelischen Sicherheitsdienste gehen davon aus, dass sich die beiden noch im Westjordanland und vermutlich sogar im Raum Hebron aufhalten. Als eine erste Strafmaßnahme sprengte die Armee die Häuser der beiden Männer in die Luft. Beide haben wiederholte Gefängnisaufenthalte hinter sich und sind als Hamas-Mitglieder bekannt.

Noch in der Nacht zum Dienstag, als die Minister zu ersten Beratungen über die nächsten Schritte zusammenkamen, zeigten sich deutliche Meinungsunterschiede. Bauminister Uri Ariel rief zu einer „umfassenden zionistischen Antwort“ auf. Die Terroristen müssten „ohne Erbarmen geschlagen“ werden. Als zionistische Antwort schwebt Ariel der Bau neuer Siedlungen vor, offenbar auch auf einem umstrittenen Gelände zwischen Jerusalem und dem südöstlichen Teil des Westjordanlandes. Auch Verteidigungsminister Mosche Jaalon trat für den Bau neuer Siedlungen ein. Er bekräftigte, man sehe die radikalislamische Hamas als verantwortlich für den Mord an den Jugendlichen.

Die Entführungsaffäre verschärft aber auch die innerisraelischen Fronten. Während das rechte Lager unbedingte Solidarität mit den Familien an den Tag legte, machte sich trotz allen Mitgefühls noch während der Suche nach den drei Vermissten Kritik dagegen laut, Kinder ins besetzte Land zu schicken und dort per Anhalter fahren zu lassen. Einen Konsens wie bei dem israelischen Soldaten Schalit, der während eines militärischen Einsatzes in die Hände der Hamas fiel und über fünf Jahre lang im Gazastreifen festgehalten wurde, gab es diesmal nicht. „Wer in ein Fahrzeug steigt“, so schreibt der frühere Meretz-Chef Jossi Sarid, das „in der Dunkelheit nach Großisrael fährt“, der muss nicht auf seine Sympathie hoffen. Seit dem Sechstagekrieg weigere er sich, die „grüne Grenze“ zu überschreiten.

Der linke Blogger Uri Misgav wehrte sich gegen den Aufruf, für die Entführten zu beten. Er rede sonst auch nicht mit Gott und sehe nicht ein, warum er es jetzt tun solle.

In den kommenden Tagen und Wochen droht der Riss zwischen rechtem und linkem Lager noch tiefer das Land zu teilen, wenn tatsächlich neue Siedlungen geplant werden sollten. Seit Unterzeichnung der „Roadmap“, des sogenannten Fahrplans für einen Frieden, baut Israel zwar bestehende Siedlungen aus. Von der Errichtung komplett neuer Ortschaften im Westjordanland sah die Regierung bislang jedoch ab.

Justizminister Zipi Livni warnte davor, aus dem Mord politischen Profit zu schlagen. „Der Bau von Siedlungen zu diesem Zeitpunkt ist die falsche Antwort auf die Morde“, meinte Livni.