Berlin betrügt Flüchtlinge

ASYL Im Vertrauen auf eine Vereinbarung mit dem Senat hatten Flüchtlinge ihr Protestcamp in Kreuzberg aufgelöst. Nun stellt sich heraus: Sie wurden reingelegt

BERLIN taz | Wieder haben in Berlin Flüchtlinge ein Gebäude besetzt: Seit sechs Tagen harren rund zehn Personen auf einem Dach aus. Die Polizei erlaubt weder die Versorgung mit Essen noch den Kontakt zu Anwälten. Die Flüchtlinge wollen in Berlin bleiben, sie wollen eine Arbeitserlaubnis haben, sie verlangen ein Ende der Residenzpflicht – und dass die Landesregierung sich an ihre Zusagen hält. Im März hatte der Senat ein „Einigungspapier“ mit den Flüchtlingen unterschrieben, damit diese nach eineinhalb Jahren ihr Protestcamp auf dem Oranienplatz in Kreuzberg auflösen.

CDU-Innensenator Frank Henkel stellte damals die Einigung mit den Flüchtlingen persönlich der Öffentlichkeit vor – jetzt fühlt er sich an keinerlei Zusagen mehr gebunden: Der Vertrag mit den Flüchtlingen sei formal ungültig, weil Henkel ihn nicht persönlich unterschrieben habe, heißt es in einem Rechtsgutachten, das Henkel in Auftrag gegeben hat. Stattdessen wurde der Vertrag von der SPD-Integrationssenatorin Dilek Kolat unterschrieben – die wäre aber laut Gutachten nicht dafür zuständig gewesen.

Beim Koalitionspartner SPD stößt der Innensenator auf Unverständnis. Aziz Bozkurt, Sprecher des Arbeitskreises der Sozialdemokraten für Migration und Vielfalt, hält Henkels Vorgehen für „eines Innensenators unwürdig“. Am Montag eskalierte die Auseinandersetzung wieder: Unterstützer der Flüchtlinge besetzten das Büro der Senatorin.

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