Das Klo soll Chefsache werden

LINKSPARTEI Seit der Klo-Affäre streitet die Linkspartei über eine Anti-Israel-Veranstaltung einiger Fraktionsmitglieder. Nun fordern Reformer in einem offenen Brief „Konsequenzen“ von der Führung

BERLIN taz | Den zwei US-Journalisten Max Blumenthal und David Sheen, die am Montag der vergangenen Woche den Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, Gregor Gysi, auf der Toilette des Bundestags zur Rede stellen wollten, ging es primär um Aufmerksamkeit – die sie mit der Veröffentlichung der Toilettenjagd auf Youtube auch bekamen. Ungewollt viel Aufmerksamkeit wird weiterhin jenen Abgeordneten der Linkspartei zuteil, die Blumenthal und Sheen eingeladen hatten und ihnen den Weg zu Gysis Pissoir wiesen.

Inge Höger und Annette Groth hatten sich danach zwar entschuldigt, und Gysi hatte ihre Entschuldigung akzeptiert. Auch die Fraktion hatte nach lebhafter Debatte beschlossen, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Doch vielen hochrangigen Parteimitgliedern reicht das nicht. „Es muss eine politische Auseinandersetzung geben“, sagte der Berliner Landesvorsitzende Klaus Lederer der taz. Er sei enttäuscht, dass die Fraktion die Sache auf sich beruhen lasse, und kündigte an, das Thema werde in der nächsten Woche, wenn sich der Parteivorstand trifft, noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt.

Lederer gehört zu den Erstunterzeichnern einer Stellungnahme von über 600 Parteimitgliedern, die seit Freitagabend im Internet steht. „Ihr sprecht nicht für uns“ ist der dreiseitige Brief überschrieben, in dem die Organisatoren der Veranstaltung indirekt zum Rücktritt aufgefordert werden. Unterschrieben haben unter anderem Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn, Fraktionsvize Jan Korte sowie der sächsische Landesvorsitzende Stefan Hartmann. Sie alle gehören zu den Reformern in der Linkspartei.

In der Stellungnahme heißt es, man sei entsetzt und schockiert über die Veranstaltung, die ausgerechnet für den 9. November, das historische Datum der Reichskristallnacht, geplant worden sei. In der Veranstaltung am folgenden Tag sei zum Boykott gegen Israel aufgerufen und die Behauptung aufgestellt worden, dass der Zionismus sich zu einem weltweiten Rassismus entwickelt hätte.

„Wir wollen es nicht länger akzeptieren, dass Inge Höger, Heike Hänsel und Annette Groth weiterhin im Namen der Fraktion sprechen“, heißt es in der Erklärung. Die drei Abgeordneten sowie Claudia Heydt, die dem Parteivorstand angehört und auf der Veranstaltung redete, werden aufgefordert, die „Konsequenzen“ zu ziehen.

Höger strapazierte schon in der Vergangenheit die Nerven der Genossen, als sie etwa einen Schal mit einer Landkarte des Nahen Ostens trug, auf der Israel fehlte.

Doch der Brief teilt nicht nur gegen die bei den Linken eher marginalisierte Anti-Israel-Front aus, sondern lässt auch die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Rixinger blass dastehen. Es zeugt eben nicht gerade von Führungsstärke, wenn statt der Doppelspitze Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn im Namen von Parteimitgliedern Stellung bezieht. Weder Kipping noch Rixinger haben sich bisher zu der aus dem Ruder gelaufenen Nahost-Veranstaltung geäußert. „Das irritiert mich“, sagte Lederer der taz. Auch zu dem offenen Brief äußerte sich das Führungsduo auf taz-Anfrage nicht.

ANNA LEHMANN