Bildung für alle

NACHWUCHS Die norddeutschen Schulen bemühen sich nach Kräften um die Integration von Flüchtlingskindern. Schwierig bleiben allerdings die Betreuung Traumatisierter – und die Aufnahme älterer Jugendlicher in Berufsschulen

Kinder und Jugendliche sind in Deutschland unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus schulpflichtig. Flüchtlinge werden in speziellen Klassen auf einen Schulabschluss vorbereitet:

■ Internationale Vorbereitungsklassen (IVK) gibt es an Grundschulen (Jahrgangsstufe 3 und 4), Stadtteilschulen und Gymnasien. Diese Lerngruppen werden jahrgangsübergreifend gebildet, sollen maximal 15 SchülerInnen fassen und nach einem Jahr sollen die SchülerInnen in die Regelklasse der jeweiligen Schulen kommen. GrundschülerInnen der Jahrgangsstufen 1 und 2 besuchen die normalen Klassen und werden dort individuell gefördert.

■ Basisklassen oder Alphabetisierungsklassen (Alpha-Klassen) sind für SchülerInnen, die nicht lesen und schreiben können oder ein anderes Schriftsystem wie etwa Arabisch gelernt haben. Maximal zehn SchülerInnen sollen es pro Klasse sein, und nach einem Jahr sollen sie in die Regelklasse übergehen.

VON HENNING BLEYL
UND ILKA KREUTZTRÄGER

In Hamburg hat sich die Zahl der unter 16-Jährigen, die in einem Asylverfahren stecken, in den letzten zwei Jahren verdreifacht. Damit wird ein Problem drängender: Jedes Kind ist, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, schulpflichtig und Kinder aus Flüchtlingsfamilien brauchen besondere Betreuung.

In Hamburg sind an rund 50 der knapp 340 allgemeinbildenden staatlichen Schulen Sprachlernklassen eingerichtet. „Wir stoßen an die Kapazitätsgrenze“, sagte Peter Albrecht von der Hamburger Schulbehörde im Sommer. Aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der CDU geht hervor, dass die Flüchtlingskinder nicht gleichmäßig auf Stadtteile und Schulen verteilt werden. „Wir kritisieren, dass die Stadtteilschulen, die ohnehin einen hohen Migrantenanteil haben, auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen den Löwenanteil der Integrationsarbeit zu leisten haben“, sagt Karin Prien, schulpolitische Sprecherin der Hamburger CDU-Fraktion.

Einige Kinder aus Flüchtlingsfamilien müssten sehr weit zur Schule fahren, sagt die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Stefanie von Berg. „Für zum Teil schwer traumatisierte Kinder, die oft noch nicht einmal deutsch sprechen, ist das unzumutbar.“ Außerdem fehle laut Prien eine spezielle Anlaufstelle, wo Therapie- und Betreuungsbedarfe festgestellt werden. „Derzeit befinden sich lediglich 42 Flüchtlingskinder in einer Traumatherapie, obwohl hunderte eine vergleichbare psychologische Betreuung benötigen würden.“

In Niedersachsen hat sich die Zahl der SchülerInnen in Sprachlernklassen im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Wie viele aus Flüchtlingsfamilien stammen, kann das Bildungsministerium nicht sagen – auch Kinder von EU-Migranten werden gefördert. Hans-Georg Hofmeister vom niedersächsischen Flüchtlingsrat sieht die Landesregierung auf einem gutem Weg. Die zum August aktualisierten Bestimmungen stellten klar, dass die Nichtbeherrschung der deutschen Sprache keinen Verweigerungsgrund für die Annahme in eine Schule mehr sein dürfe.

Trotzdem gibt es Probleme. Niedersachsen lehnt das bayerische Modell ab, das die Schulpflicht von Flüchtlingen auf 21 Jahre, in begründeten Ausnahmen sogar auf 25 Jahre anhebt. Sehr schwierig, sagt Hofmeister, sei die Situation der 18- bis 21-jährigen Flüchtlinge, die an Berufsschulen aufgenommen werden wollen. Mit Verweis auf die für sie nicht mehr bestehende Schulpflicht würden sie oft abgelehnt. Zudem gebe es nur in größeren Städten Berufsschulen mit Sprachlernklassen. Bislang wurden die meisten Kurse in Hauptschulen angeboten – und dort blieben die SchülerInnen.

Bleibt das Problem der Schulwege: Da einige Ausländerbehörden noch immer an Wohnsitzauflagen festhalten, entstehen nach Einschätzung des Flüchtlingsrats unzumutbar lange Fahrten und hohe Fahrkosten. Die Hamburger Angebote seien für niedersächsische Flüchtlinge nach wie vor tabu, während Bremen „zum erlaubten Aufenthaltsbereich“ für niedersächsische Flüchtlinge gehöre.

In Bremen selbst haben die Flüchtlinge mit 45 bis 50 Prozent einen hohen Anteil an den derzeit insgesamt 914 Kursen für Kinder ohne deutsche Sprachkenntnisse. Hintergrund ist, dass der Stadtstaat überproportional viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufnimmt – im berufsbildenden Bereich stellen sie sogar 65 bis 75 Prozent der KursteilnehmerInnen. „Die Schulen“, sagt Bildungsressort-Sprecherin Christina Selzer, stellten sich der Aufgabe „in hervorragender Weise“ und böten „eine gute Willkommenskultur“.