Die EU soll sich um ihren eigenen Dreck kümmern

TÜRKEI Das Verhältnis zwischen der EU und Erdogan ist mehr als nur zerrüttet. Selten deftige Töne

ISTANBUL taz | Die Verhaftung von mehr als zwei Dutzend Journalisten am Sonntag in der Türkei hat zu einem neuen Tiefpunkt im Verhältnis der EU zu dem Beitrittskandidaten vom Bosporus geführt. In scharfen Worten wies der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Kritik der EU und der Bundesregierung an den Verhaftungen zurück. „Die EU soll sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern“, sagte Erdogan am Montagabend. „Diese Geschichte geht sie nichts an, das hat mit Pressefreiheit nichts zu tun.“ Erdogan hat sich schon in der Vergangenheit über die EU beklagt, aber dieses Mal ging er noch einen Schritt weiter. „Es ist uns egal, ob die EU uns aufnimmt oder nicht“, sagte er auf einer Veranstaltung im westtürkischen Izmir, „wir müssen uns um unsere nationale Sicherheit kümmern.“

Die am Sonntag verhafteten Journalisten und Verlagsmitarbeiter gehören alle zur Zeitungsgruppe Zaman oder zum Fernsehsender Samanyolu. Zaman und Samanyolu sind die wichtigsten Medien der islamischen Gülen-Bewegung, der größten islamischen Sekte der Türkei, die sich selbst „Hizmet“ (Die Dienenden) nennt, außerhalb der eigenen Reihen aber nur als „Cemaat“ (Die Gemeinde) firmiert. Insgesamt wurden 29 Journalisten, Autoren und Verlagsleute festgenommen, fünf von ihnen sind wieder auf freiem Fuß.

Erdogan wirft der Gülen-Bewegung vor, sie hätte ihn vor einem Jahr, damals war er noch Ministerpräsident, stürzen und ins Gefängnis stecken wollen. Am 17. Dezember 2013 hatten Polizei und Justiz über 70 Personen aus dem näheren Umfeld von Erdogan wegen schwerer Korruptionsvorwürfe festgenommen. Unter ihnen waren auch Söhne von Ministern. Auch einer der Söhne Erdogans, Bilal Erdogan, war im Visier der Fahnder. In den Augen Erdogans waren die Korruptionsermittlungen nichts anderes als ein Putschversuch gegen seine Regierung. Er warf den beteiligten Staatsanwälten und Polizisten vor, auf Anweisung der Gülen-Bewegung zu handeln, und ließ sie allesamt feuern oder versetzen. Die Justiz kam noch stärker unter Regierungskontrolle. Die aktuelle Verhaftung der Journalisten soll offenbar verhindern, dass zum Jahrestag der Korruptionsermittlungen prominent an die damaligen Vorwürfe und Vorgänge erinnert wird. JÜRGEN GOTTSCHLICH