Be Berlin Be Diverse

DISKUSSION Kulturstaatssekretär Tim Renner befragt Shermin Langhoff, Intendantin des Gorki Theater, nach ihrer Vorbildfunktion für Migranten und Postmigranten im Berliner Kulturbetrieb

Sie will jetzt auch nicht Aushängeschild für die Berliner Politik sein

VON ANDREAS HARTMANN

Shermin Langhoff ist der neue Superstar des Berliner Kulturbetriebs. Nachdem sie als Intendantin des Ballhaus Naunynstraße in Kreuzberg ihr sogenanntes postmigrantisches Theater zur Erfolgsmarke ausbaute, leitet sie nun im dritten Jahr das Maxim Gorki Theater, einen der kulturellen Leuchttürme der Stadt. Die 45-jährige Deutschtürkin hat es raus aus Berlins Türkenkiez ganz nach oben ins Kulturetablissement geschafft, dorthin, wo in nächster Nähe gerade ein richtiges Schloss gebaut wird.

„Von der Nische in den Mainstream“ lautete die Veranstaltung, die in den Räumlichkeiten des Maxim Gorki Theaters stattfand, in der es darum gehen sollte, wie jemand wie Shermin Langhoff, eine Frau mit Migrationshintergrund, derart rasant Karriere machen konnte und inwieweit ihre Biografie Vorbildcharakter für noch mehr Teilhabe von Migranten und Postmigranten im Berliner Kulturbetrieb haben könnte. Raus aus der Nische ist Shermin Langhoff, aber ist sie nun auch Mainstream? Die extrem nahbare, agile Frau machte im Gespräch mit Kulturstaatssekretär Tim Renner vor allem permanent klar, dass sie sich mit allem, was ihr zur Verfügung steht, dagegen wehrt, von irgendeinem Mainstream tatsächlich aufgesogen zu werden. Sie sieht sich drin, aber auch weiterhin draußen, auch wegen ihrer Biografie. „Ich weiß, dass ich nicht dazugehöre“, sagte sie. Sie hatte überhaupt keine Ahnung vom Theater, als sie zum Theater kam, behauptete sie, und genau das habe ihr dabei geholfen, Dinge auch mal anders anzugehen.

Sie habe nicht lange gegrübelt, wie das an deutschen Theatern sonst so sei, sondern einfach gemacht. „Ich bin Pragmatikerin“, sagte sie, und sie mache letztlich „nur Theater“, was in einem Wichtigtuerbetrieb wie der Theaterbranche eine schier unerhörte Aussage ist. „Vielleicht“, so fuhr sie fort, „mache ich auch irgendwann wieder in Kinder-Secondhand, das habe ich schon einmal gemacht.“

Im zweiten Jahr unter ihrer Intendanz wurde das Maxim Gorki Theater jüngst zum Theater des Jahres gewählt, und sogar das Boulevardblatt BZ überreichte gerade der sich ständig kämpferisch gebenden Linken ihren Kulturpreis. Dennoch ist Shermin Langhoff keine, die sich, wie so viele ihrer männlichen Kollegen aus der Intendantenloge, gemütlich im Bühnensessel versinkt und sich huldigen lässt. Die Berliner Kulturverwaltung hatte zu dem Talk mit ihr geladen im Rahmen der seit 2009 laufenden Veranstaltungsreihe „Be Berlin – Be Diverse“, bei der es um die Sensibilisierung für die Teilhabe von Minderheiten und speziell von Migranten und Postmigranten im hiesigen Kulturbetrieb geht.

Langhoff nutzte diese Gelegenheit, um anzumerken, dass es noch ein sehr weiter Weg sei in Berlin, bis man ernsthaft von einer kulturellen Vielfalt auch in Berliner Kulturinstitutionen sprechen könne. Und sie reflektierte sehr genau, welche Rolle ihre Person bei dem weiteren Diskurs über Diversität in Berlin spielen werde. Einerseits ist sie jetzt Role Model für Migranten, ein Vorbild, von denen sie selbst, so erzählte sie, viel zu wenige hatte. Andererseits will sie jetzt auch nicht Aushängeschild für die Berliner Politik sein, die nun behaupten kann, Migranten hätten doch alle Chancen in Berlin, man sehe es doch an der erfolgreiche Intendantin des Maxim Gorki Theaters.

Das, was mit ihr und dem Maxim Gorki Theater gerade passiert, ist für sie wie eine Art Experiment, das hörte man aus ihren Worten heraus. Sie sei nun trotz all ihrer Widerständigkeit, obwohl sie als einzige Intendantin der großen Berliner Theaterhäuser bewusst weniger als 10.000 Euro verdiene, am Ende dann doch Teil eines Mainstreams. Sie sei sogar so sehr Teil des Systems, sagte sie, wenngleich auch mit ihrem typischen Schalk, „dass ich nun sogar den BZ-Kulturpreis bekomme“. Teil des Systems, nicht dazugehörig oder auch „kritische Begleiterin“, wie sie sich im Laufe des Abends an einer Stelle selbst bezeichnete: Shermin Langhoff verkörpert vieles und damit nicht zuletzt genau die komplexe postmigrantische Identität, der sie in ihrer Theaterarbeit stets auf der Spur ist.