EINE STUDIE ERGAB: LINKE WOLLEN DEN STAAT STÜRZEN. DESHALB MUSS MAN SIE BEKÄMPFEN, OB MAN WILL ODER NICHT
: Die Bedrohung aus dem Osten

SONJA VOGEL

Haben Sie sich in der vergangenen Woche auch erschreckt? Bald ein Drittel der Ostdeutschen soll linksradikal oder linksextrem sein, im Westen sind es 14 Prozent der Bevölkerung. Und mehr als 60 Prozent der 1.400 Befragten glauben, dass in Deutschland keine echte Demokratie herrsche. Radikal ist nach der Schroeder-Studie, wer für die Abschaffung des Kapitalismus ist; extrem sind jene, die Rechtsstaat und Grundrechte abschaffen wollen. Und um das Ganze zu untermauern, haben die Verfasser ins Geschichtsbuch geschaut und einen Beleg dafür gefunden, dass die Ablehnung des Mehrheitsprinzips bei den Linken chronisch ist. „Schon Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hatten sich über Mehrheitsbeschlüsse des zentralen Arbeiter- und Soldatenrates […] hinweggesetzt und zum bewaffneten Putsch aufgerufen“, schreiben sie in der FAZ. Glaubt man der Studie, geht die größte Gefahr für unsere Gesellschaft darum von den Linksextremen aus.

Das ist doch irgendwie erleichternd nach dem ganzen rechten Kram der letzten Monate: der NSU und die Verwicklungen des Staates, zunehmende rechtsextremen Gewalttaten und Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, die Etablierung der AfD. Entschuldigung, ich war kurz abgeschweift. Nach alldem jedenfalls muss es auch mal wieder um den Linksextremismus gehen. Gegen die virulente Gefahr von links hatte die Bundesregierung ja schon die „Initiative Demokratie stärken – gegen Linksextremismus und islamischen Extremismus“ gegründet. Das Programm floppte total.

Warum es seine Klientel nicht erreichte? Nun, vielleicht weil die Linksextremismus-Studie noch nicht erklärt hatte, wo das Familienministerium hätte suchen müssen. Am 9. November zum Beispiel sind Tausende in Erfurt gegen die drohende Regierungsbeteiligung der Linken auf der Straße gewesen. Als stünde der Untergang des Abendlandes bevor. Oder die Russen an der Severikirche. Jene, die da am Jahrestag der Reichspogromnacht Lust hatten, gegen eine demokratische Wahl zu demonstrieren, hätten nämlich auch bei der Studie gut abgeschnitten. Vermutlich wären sie als linksextrem klassifiziert worden: gegen die politischen Eliten und den Staat, ein bisschen antikapitalistisch, bisschen staatssozialistisch. Politisch verwirrt, aber mit starkem Wir-Gefühl („Wir sind das Volk!“) und starkem Ihr-Hass (auf die Muslime, Ausländer, Medien, Politiker, Imperialisten). Im Übrigen ist es dieselbe Mischpoke, die sich um Pegida sammelt: vom Neonazi über die enttäuschte Demokratin bis zum Linken älteren Kalibers.

MittwochAnja MaierZumutung

DonnerstagRené HamannUnter Schmerzen

FreitagJürn KruseFernsehen

MontagBarbara DribbuschSpäter

DienstagDeniz YücelBesser

Das Ganze erinnert in seinem Irrsinn jedenfalls an die unter Kristina Schröder zum Staatsprogramm erhobene Extremismustheorie. Die besagte nämlich, dass der Rechtsextremismus eine genauso große Gefahr sei wie der nicht weiter definierte und ideologisch in alle Richtungen überdehnte Linksextremismus. Was schließlich sind ein paar rechte Überfälle oder eine jahrelang gedeckelte Mordserie, wenn die ganze Bundesrepublik von einer linken Revolution bedroht ist? (Die wünschen sich nämlich laut Studie ein Fünftel der Befragten.) Eben.