Geliebter Autokrat

TAZ SALON Die Autorin Cigdem Akyol berichtet von den Veränderungen in der Türkei durch Erdogan

Er ließ zeitweise Twitter, Facebook und Youtube in seinem Land blockieren, DemonstrantInnen im Gezi-Park verprügeln und verbot das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit. Seine politischen GegnerInnen sehen in Recep Tayyip Erdoğan nicht nur deshalb einen Extremisten, der einen konservativ-islamischen Staat errichten will. Seine WählerInnen stört das nicht. Der Sohn eines unterprivilegierten anatolischen Seemannes ist bei der Mehrheit der wählenden TürkInnen äußerst beliebt, lässt sich bei öffentlichen Auftritten feiern wie ein Popstar – und wurde 2014 mit 52 Prozent der Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt.

Die Autorin Çiğdem Akyol geht in ihrem Buch „Generation Erdoğan. Die Türkei – ein zerrissenes Land im 21. Jahrhundert“ dem widersprüchlichen politischen Aufstieg des erfolgreichsten Politikers der modernen Geschichte der Republik seit Attatürk nach und zeigt auf, wie sich die Türkei durch Erdoğan verändert hat.

In der Biografie des Politikers spiegele sich die gesellschaftliche Entwicklung der Türkei wider, schreibt Akyol, die taz-Redakteurin in Berlin war und heute als freie Korrespondentin in Istanbul arbeitet.

Anatolier wie Erdoğan erarbeiteten sich in den vergangenen Jahrzehnten einen Platz in der Mittelschicht. Frauen mit Kopftuch zogen ins Parlament ein. „Erdoğans aufbrausendes Naturell wurde später immer wieder mit seiner Herkunft erklärt, denn das Austeilen sei auch eine Überlebensstrategie gewesen.“

Seit er 2003 an die Macht kam, habe er sich vom aufgeschlossenen, pro-europäischen Reformer zu einem ultra-konservativen Autokraten entwickelt, analysiert Akyol. Das Image der Türkei im Westen scheint ihm dabei zunehmend egal zu sein: „Wer aufbegehrt, wird angegriffen, entlassen, zwangsversetzt, eingeschüchtert, inhaftiert, angeklagt oder abgeschoben“, so Akyol.

Über den Erfolg des Staatspräsidenten, die Beschneidung der Grundrechte in der Türkei und die zunehmende Islamisierung spricht Moderatorin Gaby Sohl mit der Autorin Çiğdem Akyol heute im taz Salon.  TAZ

19. 30 Uhr, Kulturhaus 73, Schulterblatt 73, 20357 Hamburg, Eintritt frei