Kommentar Ratifizierung des EU-Vertrages: Polnisches Störmanöver

Dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski kann unterstelllt werden, dass er alles versuchen wird, den ungeliebten EU-Vertrag zu kippen.

Nur wenige Tage nach dem ablehnenden Referendum in Irland hatten sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen in Brüssel noch einmal schriftlich verpflichtet, den Ratifizierungsprozess nicht zu stoppen. Lediglich Tschechien hatte eine einschränkende Fußnote durchgesetzt, wonach dort zunächst die Stellungnahme des Obersten Gerichtshof abgewartet werden sollte.

Nun erinnern Meldungen aus Deutschland und Polen daran, dass nicht nur Tschechiens Staatschef Topolánek mit dem Lissabon-Vertrag Probleme hat. In beiden Ländern verweigern die Staatspräsidenten die Unterschrift unter den Text, obwohl er bereits von beiden Parlamentskammern akzeptiert worden ist. Damit aber enden die Gemeinsamkeiten auch schon. Bundespräsident Horst Köhler hat persönlich wohl nichts gegen den neuen Vertrag. Er wurde lediglich vom Bundesverfassungsgericht darum gebeten, die Unterschrift zurückzuhalten, bis über mehrere Verfassungsklagen entschieden ist.

Lech Kaczynski hingegen darf man unterstellen, dass ihm jeder Vorwand recht ist, um den ungeliebten Vertrag zu stoppen. Obwohl er an den Vertragsverhandlungen in jedem Stadium beteiligt war und seine Unterschrift in Lissabon bei einer feierlichen Zeremonie im vergangenen Dezember unter den Text setzte, hat er seine Skepsis zu keinem Zeitpunkt verloren. Kaczynski will verhindern, dass Brüssel noch mehr in die nationale Politik hineinregiert und zum Beispiel von Warschau eine tolerantere Haltung gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren verlangt.

Der polnische Staatspräsident verhält sich seinen Amtskollegen gegenüber illoyal. Doch sein Ziel wird er damit vermutlich erreichen. Je mehr Störmanöver aus den Mitgliedstaaten gemeldet werden, desto schwächer wird der politische Wille bei den noch fehlenden Wackelkandidaten, mit der Ratifizierung fortzufahren. Irland wird zum Jahreswechsel nicht isoliert dastehen. Der Schwarze Peter wird stattdessen nach Brüssel zurückwandern, wo die hilflose Antwort ein weiteres Mal lauten wird: Denkpause einlegen, mit dem Bürger ins Gespräch kommen und die Reformverhandlungen von vorn beginnen.

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