Asse-Mitarbeiter hat Leukämie

Ein Schlosser ist überzeugt, wegen mangelhafter Sicherheitsmaßnahmen im Pannen-Endlager an Blutkrebs erkrankt zu sein. Die Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung gegen den ehemaligen Bergwerks-Betreiber

VON KAI SCHÖNEBERG

„Böse Überraschungen“ habe es beim Pannen-Endlager Asse II bei Wolfenbüttel schon viele gegeben, sagt Astrid Klug. Deshalb wollte sich die Staatssekretärin im Umweltministerium am Mittwoch im Bundestag nicht dazu äußern, ob bei den Sicherheitsvorkehrungen für die Mitarbeiter im ehemaligen Salzbergwerk alles mit rechten Dingen zugegangen sei.

„Angemessen“ seien die Vorkehrungen in der Asse, wo 1967 die Einlagerung von insgesamt 126.000 Atommüllfässern begann, gewesen, sagte Klug. Und dennoch: „Sie entsprachen nicht dem heutigen Standard.“ Es sei nun Aufgabe der Staatsanwaltschaft in Braunschweig, Versäumnisse zu prüfen, nicht die der Bundesregierung, betonte Klug. Die Ermittler hatten am Montag Vorermittlungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung gegen den ehemaligen Betreiber der Anlage eingeleitet.

Das war der Tag, an dem die Braunschweiger Zeitung über einen Schlosser berichtete, der von 1987 bis 1990 in der Asse arbeitete. „Ich bin überzeugt: Die Asse hat mich krank gemacht“, sagt Egbert Duranowitsch (siehe Interview). Er glaubt, wegen mangelhafter Sicherheitsmaßnahmen Leukämie bekommen zu haben.

Duranowitsch kann sich nicht erinnern, jemals Schutzkleidung oder Dosimeter getragen zu haben. Dabei sei er auch in den zwölf Kammern gewesen, in denen Atommüllfässer lagern. Nur eine jährliche Strahlenschutzuntersuchung habe es gegeben, sagt Duranowitsch. „Ein paar Minuten hat das gedauert.“

Im Helmholtz-Zentrum München, dem Ende 2008 nach Unregelmäßigkeiten der Betrieb der Asse entzogen wurde, sieht man den Fall anders. Duranowitsch sei wie alle anderen Bergleute in der Asse in die Kategorie B als beruflich strahlenexponierte Person eingestuft worden, sagt eine Sprecher. Mit Radioaktivität sei er aber nie in Berührung gekommen. Bezogen auf seine gesamte Arbeitszeit habe er sich „nur eine Stunde lang“ vor den Kammern, in denen die Atommüllfässer lagern, aufgehalten. „Eine Stunde? Woher er das wohl weiß?“, fragt Duranowitsch.

In speziell ausgewiesenen Bereichen habe auch Duranowitsch Dosimeter tragen müssen, betont der Helmholtz-Sprecher. Das ist bis heute dokumentiert. Die laxen Schutzmaßnahmen waren offenbar in Ordnung, da die Asse lange als ein Forschungsendlager betrieben wurde, es galt Bergwerksrecht. Erst seit Januar gilt Atomrecht, das Bundesamt für Strahlenschutz betreibt die Anlage nun, es wird schärfer kontrolliert.

Dem Helmholtz-Zentrum sind insgesamt sechs Krebstote bekannt. Diese Zahl reiche für eine aussagekräftige Statistik nicht aus, sagt der Sprecher. Der niedersächsischen Landesregierung, bis Ende 2008 Asse-Aufseher, sind gar keine Erkrankungen, die auf eine Strahlenexposition zurückzuführen sind, bekannt, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen. Deshalb sei eine systematische Auswertung von Erkrankungen, Krebs- und Leukämiefällen bei Asse-Mitarbeitern nicht erforderlich.

Erst im Statusbericht, den das Land Niedersachsen im Sommer vorlegte, bestätigte eine Untersuchung des TÜV, dass die Maßnahmen in der Asse zur Ermittlung der so genannten Personendosis „angemessen“ gewesen seien – aber eben nicht den in kerntechnischen Anlagen üblichem Standard genügt hätten. Rechtlich gesehen galt die Asse ja bislang als Bergwerk. Ob das juristische Kleinklein Duranowitsch nützt, ist ungewiss. Seine Berufsgenossenschaft prüft derzeit den Fall, dabei geht es auch um etwaige Entschädigungen.