EU-Agrarsubventionen: Raus auf die Weide

Agrar- und Umweltverbände fordern den kompletten Umbau der Subventionspolitik. Doch Schwarz-Gelb will die EU-Agrarpolitik im Wesentlichen unangetastet lassen.

Die Großen sahnen ab, der Tierschutz bleibt auf der Strecke. Bild: Maurice – Lizenz: CC-BY

Das wäre wirklich eine radikale Reform der milliardenschweren EU-Subventionspolitik für die Landwirtschaft: Die Bauern erhalten kein Geld mehr, nur weil sie Land bewirtschaften. Stattdessen würde die Europäische Union nur noch Landwirte subventionieren, die ihren Boden besonders umweltfreundlich nutzen. Wer viele Arbeitsplätze schafft, bekommt einen Bonus.

Das forderten am Dienstag in Berlin fast alle großen Umwelt-, Tierschutz- und Entwicklungsverbände Deutschlands – insgesamt 27 Organisationen. Damit wollen sie auf die EU-Kommission einwirken, die derzeit eigene Vorschläge zur Reform der Agrarpolitik für die Zeit nach 2013 erarbeitet.

Die EU zahlt Bauern und Firmen der Lebensmittelbranche jedes Jahr fast 60 Milliarden Euro. Der Löwenanteil wird nach dem Prinzip "Wer viel hat, bekommt viel" verteilt: Für jeden Hektar Land erhält ein Bauer in Deutschland etwa 340 Euro pro Jahr. Das Ergebnis: "80 Prozent aller Geldzahlungen gehen an 30 Prozent der Betriebe", konstatiert Thomas Dosch, der Chef von Deutschlands größtem Ökobauernverband, Bioland.

Hoch rationalisierte Betriebe mit wenigen Beschäftigten kassieren laut Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft ebenso viel Subventionen wie Höfe mit gleich großer Fläche aber mehr Arbeitsplätzen. "Auch die Milchkonzerne und die Zuckerkonzerne sahnen ab. Die bekommen das Geld für die Bauern", schimpft der Chef des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger.

Für Weiger ist die Landwirtschaftsreform "eine Schicksalsfrage". "Die Agrarpolitik wirkt in alle Lebensbereiche hinein", meint er. Schließlich trage die Landwirtschaft zur Erosion der Böden, mit ihren Düngern zur Verschmutzung des Trinkwassers und zur Zerstörung von Landschaften bei, in denen sich die Menschen erholen könnten.

Die Bilanz der bisherigen EU-Agrarpolitik fällt seiner Meinung nach katastrophal aus: Der Anteil der klimafreundlichen Wiesen und Weiden sei in den vergangenen fünf Jahren um 3 bis 4 Prozent zurückgegangen – vor allem zugunsten von Maisfeldern, die die vielen neuen Biogasanlagen versorgen. Alle Feldvogelarten stehen laut Weiger mittlerweile auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Auch infolge der Landwirtschaft habe die EU ihr Ziel, bis 2010 den Verlust weiterer Arten zu stoppen, weit verfehlt.

"Jegliche Zahlungen der EU sind an konkrete gesellschaftliche Leistungen zu binden", verlangen die Verbände deshalb in einem gemeinsamen Papier zur Zukunft der Agrarpolitik. Der Staat solle viel mehr als bisher Umweltmaßnahmen der Bauern finanzieren: zum Beispiel das Einsparen klimaschädlicher Gase oder die Rinderhaltung auf der Weide – statt wie heutzutage meist üblich im Stall. Großen Betrieben sollen die Zuschüsse gekürzt werden, diese könnten aber pro Arbeitsplatz Rabatt bekommen.

Mehr Fördermittel sollten nach Vorstellung der Verbände auch in den Ökolandbau fließen, der ohne chemisch-synthetische Pestizide und leicht lösliche Mineraldünger wirtschaftet. Verzichten sollte die EU dagegen künftig auf Zuschüsse zu Investitionen etwa in vollautomatisierte Riesenställe. Nicht nur aus Mitleid mit den Tieren, sondern auch weil sie den Organisationen zufolge zur Überproduktion beitragen.

Das zu viel geschlachtete Fleisch entsorge die EU immer wieder als Billigexporte in Entwicklungsländer, sagte Armin Paasch vom Entwicklungsverband Misereor. Stattdessen müsse Brüssel die Zuschüsse für die Ausfuhr von Agrarprodukten sofort streichen. Auch dafür solle sich Bundeslandwirtschaftministerin Ilse Aigner (CSU) bei den anstehenden Verhandlungen auf EU-Ebene einsetzen.

Doch die Chancen dafür stehen schlecht. Ein Sprecher Aigners wies die Forderungen der Aktivisten umgehend zurück. "Die Landwirte erbringen ja schon gesellschaftliche Leistungen", sagte er der taz. Bauern würden die Zuschüsse gekürzt, wenn sie sich nicht an die Umweltvorschriften – zum Beispiel bei der Düngung – hielten. Kritiker halten dieses Sanktionssystem aber für ineffizient, die Gesetze für zu lasch.

Dennoch will die Bundesregierung die EU-Agrarpolitik im Wesentlichen unverändert lassen. Für sie steht die "Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit" der Bauern auf dem Weltmarkt im Vordergrund. In einem gemeinsamen Positionspapier sprechen sich die beteiligten Ministerien dagegen aus, Geld von den Pauschalzahlungen in Umweltmaßnahmen umzuschichten. Auch dass dabei große Betriebe stärker belastet werden sollen, lehnt die Regierung in Berlin ab. Die Exportsubventionen will die schwarz-gelbe Koalition nur aufgeben, wenn das ein neues Welthandelsabkommen vorsieht. Doch das kann dauern.

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