In China wächst Kluft zwischen Arm und Reich

Trotz „Volksrepublik“: Vor allem die Städter werden immer reicher und verdienen im Schnitt dreimal so viel wie Bauern

PEKING taz ■ In China wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Das Land zählt mittlerweile im internationalen Vergleich zu den Ländern mit außergewöhnlich großer sozialer Ungleichheit. Das bestätigte jetzt ein in der chinesischen Presse veröffentlichter Bericht des Pekinger Finanzministeriums.

Besonders beunruhigend sei das Tempo, mit dem die Distanz zwischen der kleinen Schicht der Reichen und der Masse der Armen sich vergrößert: Städter verdienen inzwischen durchschnittlich dreimal so viel wie Bauern. Starke Unterschiede gibt es auch regional: Den Bewohnern der Küstenregionen geht es in der Regel viel besser als den Bürgern im Landesinneren.

Aber auch in den wohlhabenderen Gegenden wächst das Gefälle dramatisch, stellt das Finanzministerium fest. In den Städten besitzen zehn Prozent der Familien fast die Hälfte des gesamten Vermögens der urbanen Bevölkerung. Die „Struktur der Einkommen befindet sich nicht innerhalb eines vernünftigen Rahmens“, klagt die Studie.

Die chinesische Regierung gibt damit zu, was in- und ausländische Experten schon lange besorgt: „Die Ungleichheit gerät inzwischen sehr nah an die Gefahrenzone für die soziale Stabilität“, warnte die Chefin des UNO-Entwicklungsprogramms in China, die Deutsche Kerstin Leitner, am Mittwoch vor Journalisten in Peking.

Trotz des sichtbaren Wirtschaftsboom Chinas sei für viele der rund 800 Millionen Bauern das von der Weltbank offiziell als „Armutsgrenze“ festgelegte Einkommen von umgerechnet einem US-Dollar pro Tag ein „noch lange nicht zu erreichendes Ziel“, sagte Leitner. Durchschnittlich verdiente die Landbevölkerung im vergangenen Jahr rund 135 US-Dollar. JUTTA LIETSCH