WAZ bittet zur Kasse

Deutschlands zweitgrößter Zeitungskonzern hat eine neue Kuh entdeckt, die gemolken werden kann: WAZ-Volontäre verdienen künftig deutlich weniger

VON STEFFEN GRIMBERG

„Bildung mit AHA-Effekt: ‚A‘ wie aktueller Anlass, ‚H‘ wie Hintergrundwissen, ‚A‘ wie Anregungen sind die drei Säulen der Journalistenschule Ruhr“, heißt es auf der Website der hauseigenen Kaderschmiede der Zeitungsgruppe WAZ. Hier genießen seit Jahren auch die VolontärInnen von WAZ, Westfälischer Rundschau, NRZ, Westfalenpost und Iserlohner Kreisanzeiger weite Teile ihrer Ausbildung. Jetzt sorgt die WAZ-Gruppe für einen weiteren AHA-Effekt: Ab sofort sind künftige VolontärInnen nicht mehr bei den einzelnen Konzerntiteln angestellt, sondern direkt bei der Journalistenschule – inklusive massiver Kürzungen bei Gehalt und Urlaub.

„A“ wie aktueller Anlass ist natürlich der andauernde Rationalisierungskurs im Hause WAZ: Denn während die Zeitungstitel allesamt noch tarifgebunden sind und auch ihre VolontärInnen entsprechend bezahlen müssen, fällt die Journalistenschule praktischerweise aus der Tarifbindung heraus. Für das erste Jahr des zweijährigen Volontariats gibt es künftig 1.200 Euro – laut Tarif sind für über 22-Jährige 1.646 Euro, für Jüngere 1.484 Euro zu zahlen. Im zweiten Jahr werden die JournalistInnen in Ausbildung dann sogar über 500 Euro im Monat billiger: Künftig 1.400 statt der tariflich festgelegten 1.907 Euro will die WAZ-Gruppe löhnen. Und damit nicht genug: der Jahresurlaub wird von 30 auf 20 Tage gesenkt. Damit verstößt die Regelung eigentlich gegen das Bundesurlaubsgesetz: Es schreibt 24 Urlaubstage vor. Doch die WAZ verweist laut Betriebsrat darauf, dass die Volontäre nur eine Fünftagewoche arbeiteten – samstags ist bei Zeitungen ohne Sonntagausgabe schließlich immer frei. Rechnerisch gingen die 20 Tage also völlig in Ordnung.

„H“ wie Hintergrund des Vorstoßes ist laut WAZ-Gruppe offiziell die Absicht, wieder mehr VolontärInnen zu beschäftigen und die Ausbildung zu zentralisieren. 2002 war ihre Zahl im Zuge des damals verkündeten Stellenstopps drastisch abgesenkt worden. „Verdienen will die WAZ-Gruppe daran natürlich nichts, wir sind ja ein ehrenwertes Haus“, lästert ein Betriebsrat: Da in den Redaktionen freiwerdende Stellen kaum wieder besetzt würden, kämen zusätzliche, billige VolontärInnen aber wie gerufen. Schließlich ersetzen sie schon immer ganze Redakteursstellen. „Es ist – politisch formuliert – eine absolute Sauerei, ausgerechnet auf dem Rücken der Wehrlosesten und Ärmsten derart rigorose Einsparungsmaßnahmen durchzuziehen“, so Malte Hinz, Betriebsratschef der Westfälischen Rundschau.

„A“ wie Anregungen für diesen Schritt dürfte die hochprofitable WAZ-Gruppe unter anderem beim Springer-Verlag gefunden haben. Die Axel Springer AG hatte bereits 2002 alle VolontärInnen aus ihren Zeitungen und Zeitschriften ausgegliedert. Ihr Arbeitgeber ist jetzt die ebenfalls nicht tarifgebundene Springer-Schule. Sie heißen denn auch Journalistenschüler – und sollten zunächst gerade einmal 650 Euro Ausbildungsbeihilfe pro Monat bekommen. Begründung: Es gäbe schließlich genügend Journalistenschulen, die gar nichts zahlten. Der Betriebsrat setzte immerhin eine Art zusätzliches Redaktionsgeld durch, seitdem gibt es 550 Euro monatlich mehr. „Das wir darüber nicht jubeln, ist klar“, sagt ein Springer-Betriebsrat. Und macht mit einer weiteren Besonderheit der AG, die eben zum Halbjahr „alle Zahlen rauf“ melden konnte, vertraut: Wer nach seiner „Schulzeit“ von Springer übernommen wird, aber in den ersten drei Jahren den Konzern verlässt, muss das Redaktionsgeld sogar teilweise zurückzahlen.