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: Kieler Bildungskompromiss – das Ende aller Schulreformen

Nichts gegen Kompromisse. Aber es gibt Formulierungen, die einfach verdächtig sind. Wenn die künftigen Partner der schwarz-roten Kieler Zwangsehe in der Schulfrage jetzt unisono von einem „tragfähigen Paket“ und einem „vernünftigen Kompromiss“ reden, dann signalisieren schon die Worte: Es handelt sich mal wieder um jenen Typus des politischen Kuhhandels, bei dem die Sache selbst geopfert wird, nur damit beide Seiten das Gesicht wahren können. Es gab inhaltlich nur einen einzigen Punkt, der an den Koalitionsverhandlungen im Norden von bundesweitem Interesse war: Was wird aus der von Rot-Grün geplanten Einführung der Gemeinschaftsschule? Schließlich handelt es sich dabei um das Schulmodell, das nach Ansicht fast aller Bildungsexperten den Ausweg aus der deutschen Pisa-Misere verspricht.

Geeinigt haben sich CDU und SPD jetzt auf die denkbar schlechteste Variante. Die Gemeinschaftsschule soll es zwar geben, aber nur teilweise; daneben wird die alte Konkurrenz von Gymnasium, Haupt- und Realschule bestehen bleiben. Die Folgen sind absehbar: Das statusbewusste Bürgertum, darunter das rot-grüne Milieu, wird seine Kinder weiter aufs Gymnasium schicken. Die neue Gemeinschaftsschule dürfte zur Restschule verkommen, die nur ehemalige Hauptschüler aufnimmt.

Damit ist die deutsche Schulpolitik wieder an genau jenem Punkt angekommen, wo sie schon vor dreißig Jahren stand. Damals wurde die Gesamtschule eingeführt – und sie scheiterte an der ungleichen Konkurrenz zum alten Gymnasium. Das bestreitet heute niemand mehr, und genau deshalb sollte der neue Schultypus im Norden ja auch nicht mehr so heißen, sondern einen eleganten neuen Namen bekommen.

Doch hinter der neuen Bezeichnung steckt jetzt genau das alte Modell. De facto hat nun ausgerechnet die CDU die Wiedereinführung jener schlechten Gesamtschule durchgesetzt, die sie jahrzehntelang bekämpft hat. Strategisch betrachtet hat sie im Kampf gegen neue Schulformen damit aber einen großen Sieg errungen: Das absehbare Scheitern in Schleswig-Holstein wird die neue Schulform so gründlich diskreditieren, dass Bildungsreformen auch in anderen Ländern auf absehbare Zeit blockiert sind. Für die Zukunft Deutschlands wäre es daher besser gewesen, die SPD hätte einen Gesichtsverlust in Kauf genommen und auf die Gemeinschaftsschule vorerst ganz verzichtet. RALPH BOLLMANN

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