Als Schoschenk den Jerobeam jagte

Ein Dortmunder Theologe gräbt in Jordanien die Burg eines altisraelischen Königs aus. Der Nachfolger Salomos wird in der Bibel als Verräter beschimpft, er soll das „goldene Kalb“ angebetet haben. Nach neuen Erkenntnissen lebte Jerobeam aber nur auf der falschen Seite Jerusalems

Eine steile Schlucht im jordanischen Hochland. Hunderte Meter tief hat sich der Fluss Jabbok auf seinem Weg zum Jordan in den Grund gefressen. Nur an einer Stelle versperren ein paar Hügel das Tal. Sie bieten strategischen Überblick und Zugang zum Hochland – ein idealer Standort für eine Festung. Suchte hier ein alttestamentarischer König Schutz?

Die Fluchtburg Jerobeams I., der von 926 bis 907 vor Christi das Nordreich Israel regierte, gibt der Wissenschaft Rätsel auf: Hat sein Feind, der ägyptische Pharao Schoschenk – in der Bibel Schischak genannt – die Burg zerstört oder nur besetzt? Diese Frage versuchen jetzt Dortmunder Wissenschaftler unter Leitung von Thomas Pola, Alttestament-Spezialist im Fachbereich evangelische Theologie, zu beantworten. Zur Zeit graben sie Teile der Burg im Ostjordanland aus.

Jerobeam, direkter Nachfolger Salomos, kommt in der Bibel nicht gerade gut weg. Wie sein Vorgänger soll er vom rechten Glauben abgewichen sein, angeblich sogar Götzentempel für das berühmt-berüchtigte Goldene Kalb errichtet haben. „Er hat einfach viel Pech gehabt“, sagt Thomas Pola und erinnert daran, dass nach Salomo das Reich gespalten wurde, die biblische Überlieferung aber aus dem konkurrierenden Südreich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem stammt.

Vor seiner Regierungsübernahme musste er vor Salomo ins ägyptische Exil fliehen. Sein Schutzherr Schoschenk wurde später zu seinem Erzfeind. Jahrelang führte er Krieg gegen Juda und Israel und vertrieb den unglücklichen Jerobeam ins Ostjordanland. Auf diese Flucht offenbar gut vorbereitet, hatte er sich die jetzt geortete Festung Pnuël ausbauen und befestigen lassen. „Das war ein idealer Rückzugsort“, findet Thomas Pola, “der Jordan konnte damals nur an ganz wenigen Furten überquert werden.“ Zudem lag die Burg strategisch günstig in einem Seitental am Berghang. Nicht nur die Heilige Schrift gibt Zeugnis über die Ereignisse. Auch die Ägypter haben Inschriften zu ihrem Feldzug hinterlassen. In den Tempeln von Karnak ließ Schoschenk einmeißeln, dass er sich der Feste Pnuël bemächtigt habe. „Das könnte aber auch Angeberei gewesen sein“, weiß der Dortmunder Forscher.

Mit einem zehnköpfigen Team aus der Schweiz, Jordanien und Deutschland sichtet er zur Zeit die Überreste der Anlage. Nicht alltäglich für die beteiligten evangelischen Theologie-Studenten aus Dortmund – sie lesen normalerweise nur die Bibeltexte. Für den Alttestamentarier Pola ist die archäologische Arbeit aber sinnvoll: „So erfahren die jungen Leute auch sinnlich, worauf die alten Bibeltexte beruhen. Und sie lernen etwas über das moderne Leben in einer orientalischen Gesellschaft.“

Mit den Ausgrabungen leistet Pola Pionierarbeit. Trotz der enormen historischen und auch religiösen Bedeutung des Ortes hat bisher erst eine amerikanische Archäologengruppe das Gelände oberflächlich sondiert. Immerhin würde der dabei entstandene Grundriss der Bastion perfekt zu einer eisenzeitlichen Festung passen. HOLGER ELFES