Ist was faul am Ferienhaus

Die dänischen Rechtspopulisten werfen Günter Grass Gesetzesumgehung bei der Anmietung seines Ferienhauses vor. Ein guter Anlass, sich vom Andersen-Idyllen-Dänemark zu verabschieden

Man dachte, diese Art von Sommerfrische sei, zumindest literarisch betrachtet, mit den Manns und Hesses ausgestorben

VON FRIEDERIKE GRÄFF

Was kümmert uns das Grass’sche Ferienhaus, könnte man fragen. Man war in letzter Zeit ausreichend, wenn nicht in einem gewissen Übermaß, mit seiner Vergangenheit befasst. Nun aber ist die rechtspopulistische Volkspartei Dänemarks darauf gestoßen, dass Grass im Jahr 2002 den Mietvertrag für sein Ferienhaus auf Møn auf eine Laufzeit von mittlerweile 25 Jahre verlängert hat. Dies schaffe, so die Rechtspopulisten, „eigentumsähnliche Verhältnisse“. Da der Verkauf von Ferienhäusern an Ausländer ohne permanenten Wohnsitz in Dänemark aber verboten ist, handle es sich um eine „wahrscheinlich bewusste Umgehung von Gesetzen“, wie es der Parteisprecher Morten Messerschmidt in bemerkenswerter Eleganz formuliert hat. Und sich fragte, ob die Monatsmiete von 300 Euro nicht viel zu niedrig sei und eben diese Frage gern vom Umweltminister beantwortet sähe, da das Haus schließlich vom staatlichen Wald- und Naturamt vermietet wird.

Es ist nahezu lustig, sich vorzustellen, wie Morten Messerschmidt sich in den Besitz des Grass’schen Mietvertrag gebracht hat. Im Übrigen ist wenig Lustiges an Morten Messerschmidt und seiner Partei, die im Verlauf des Karikaturenstreits in Umfragen auf bis zu 18 Prozent der dänischen Wählerstimmen gekommen ist. Und die zuletzt auffiel, als das dänische Fernsehen ein Video ausstrahlte, auf dem zu sehen ist, wie betrunkene Jugendliche unter Anleitung von Parteimitgliedern Mohammed-Karikaturen zeichnen.

Man kann sich kurz fragen, ob Günter Grass Morten Messerschmidts Erscheinen als persönliche Infamie des Schicksals aufgenommen hat, aber das ist nicht das eigentlich Interessante an der Geschichte. Grass schweigt – es handle sich um eine „innerdänische Angelegenheit“ – und das ist vermutlich eine gute Idee. Vielleicht hätte er einen engeren Kontakt zum Kollegen Siegfried Lenz suchen sollen, der in den 1990er Jahren in Unkenntnis der dänischen Gesetze sein Ferienhaus auf Dänemark nach nahezu 30 Jahren verkaufte und dann kein neues erwerben durfte. Aber Grass sucht ja mehr den Kontakt zur Jugend, zumindest, wenn man nach dem Personal des von ihm initiierten Lübecker Autorentreffens gehen darf, wo sich interessanterweise jene mittlere Generation trifft, die hauptberuflich darüber klagt, dass die Öffentlichkeit sie wegen des Mangels an Weltkrieg in ihrer Biographie vernachlässige. Und stattdessen nur immer die alten Weltkriegsbevorzugten zu Wort kämen. Aber auch diese Klage ist nicht wirklich interessant, sondern, bei gutem Willen, allenfalls lustig.

Es liegt etwas eigentümlich anachronistisch Anmutendes im dänischen Ferienhaus. Nicht im einmaligen Aufenthalt der Abertausenden deutscher Touristen. Sondern in der Genügsamkeit, die darin liegt, jahrzehntelang in das immer gleiche Strohdachhaus zu reisen. Siehe da, denkt man, Morten Messerschmidt hat ein Exemplar aufgetan. Dabei hatte man gedacht, diese Art von Sommerfrische sei, zumindest literarisch betrachtet, mit den Hauptmanns, Manns und Hesses ausgestorben. Mit den alten Schwarz-Weiß-Fotos, die Großfamilien beim Picknick, Ringtennis und in unvorteilhaften Badeanzügen zeigen. Menschen, die langfristig planen, weil sie nicht damit rechnen, sich in drei Jahren in einer neuen Familie wiederzufinden oder, ohne Aussicht auf Bestenlistenplätze, sich abrupt aus dem Kreis der Ferienhausbesitzer verabschieden. Es liegt eine Stetigkeit darin, die nicht notwendigerweise mit Glück verknüpft ist. Möglicherweise aber mit einer gewissen Ruhe, die im Rückblick wohltuender erscheinen mag, als sie es jemals war.

Wie auch Dänemark selbst den meisten Deutschen vor allem als Heimat von Märchenerzählern und Ferienhausvermietern erscheint. Dass in dem Land, das nicht nur Brecht Exil geboten hat, mittlerweile Rechtspopulisten im Parlament sitzen, hat man hierzulande noch nicht wirklich verinnerlicht. Vielleicht interessiert es auch nicht. Günter Grass – der in Dänemark viel gelesen wird – hat bereits vor Jahren kritisiert, dass „selbst ein liberales Land wie Dänemark“ eine Regierung habe, „die Rassisten als engste Zusammenarbeitspartner“ dulde. Man mag es Morten Messerschmidt als Verdienst anrechnen, dass seine Fremdenfeindlichkeit in gewisser Hinsicht egalitär ist, und sich nun, nachdem man sich der Muslime gründlich angenommen hat, auch deutschen Schriftstellern zuwendet. Es sichert dem neuen Dänemark eine gewisse Aufmerksamkeit.