Ein Hafen an zwei Meeren

Hamburgs Hafengesellschaft HHLA soll nach dem Willen des Senats den Ostseehafen Lübeck kaufen. Da er zugleich die HHLA veräußern will, stünde am Ende ein neuer Herrscher über einen Doppelhafen

Von Sven-Michael Veit

Hamburg will Deutschlands größten Ostseehafen Lübeck übernehmen. Das signalisierte Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) in ungewöhnlicher Deutlichkeit auf dem Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck vorgestern Abend. Abweichend vom vorab verbreiteten Redemanuskript sparte Uldall vor 1.600 geladenen Gästen sogar nicht mit mahnenden Worten: „Es wäre fatal, wenn man in zehn Jahren in Lübeck sagen würde: ‚Hätten wir uns damals bloß für Hamburg als Hafenpartner entschieden‘“, zitieren die Lübecker Nachrichten den Senator aus der großen Hanseschwester.

In der Region zwischen den beiden Hansestädten hätten sich in zunehmendem Maße „eine Reihe von Wirtschaftsstrukturen gebildet“, sagte Uldall, auch Lübeck selbst orientiere sich immer mehr „in Richtung der Metropolregion Hamburg“. Deshalb sei ein Einkauf Hamburgs für beide Seiten von Vorteil. Konkret bedeutet dies, dass die städtische Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) die Anteile der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) erwerben solle, welche die Travestadt verkaufen will.

Mindestens 49,9 Prozent der LHG will Lübeck veräußern, eventuell sogar 90 Prozent. Die chronisch defizitären Stadtkassen würden damit mit „einem dreistelligen Millionenbetrag“ aufgefüllt, so die Hoffnung. „Mit großem Interesse“, sagt Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD), habe er Uldalls Worte vernommen. Denn die Stadt suche einen strategischen Partner, keinen Finanzinvestor.

HHLA-Sprecherin Ina Klotzhuber bestätigte gegenüber der taz „grundsätzliches Interesse“ am Einstieg in Lübeck: „Wir sind im Vergabeverfahren dabei.“ Ob die HHLA aber ein Angebot abgeben werde, sei noch nicht entschieden: „Wir prüfen das gerade“, sagt Klotzhuber. Dafür ist auch noch Zeit, denn das offizielle Bieterverfahren für die LHG soll erst nächsten Monat gestartet und bis zum Sommer entschieden werden.

Kompliziert wird das eventuelle Engagement Hamburgs in Lübeck dadurch, dass die HHLA selbst zum Verkauf steht. Beim CDU-Senat haben sich bereits etwa 100 Interessenten für das größte Hafenlogistikunternehmen Deutschlands gemeldet, darunter der direkte Konkurrent Eurogate (Bremen) und die Deutsche Bahn, deren erster Übernahmeversuch im vorigen Jahr gescheitert war.

49,9 Prozent der HHLA will der Hamburger Senat veräußern, um künftige Milliardeninvestitionen in den Hafen bezahlen zu können. Im Stadtstaat ist das Vorhaben allerdings heftig umstritten, Kritiker befürchten das Verramschen des Allerheiligsten, was die Hafenstadt an der Elbe zu bieten hat.

Strategisch aber würde dieses Vorgehen den Sinn ergeben, den boomenden Containerumschlag zwischen Atlantik und Nordosteuropa in einer Hand zu konzentrieren. Wer bei der HHLA einsteigt, übernähme zugleich die LGH. Und triebe damit den Ausbau der ohnehin schon intensiven Kooperation der beiden Hansehäfen zum Doppelhafen an zwei Meeren voran.

Seit geraumer Zeit schon wird Lübeck zu „Hamburgs Tor zur Ostsee“ ausgebaut. Die HHLA betreibt einen eigenen Containerterminal im Stadtteil Siems an der Trave, der im vorigen Jahr 110.000 Einheiten umschlug. Das rasante Wachstum in Siems soll nach allen Prognosen auf Jahrzehnte hinaus anhalten, denn der Warenverkehr auf der Ostsee mit Skandinavien, Russland und den neuen EU-Staaten im Baltikum boomt. Zurzeit werden die Container zwischen Elbe und Trave mit Shuttlezügen transportiert.

Nach dem beabsichtigten dreigleisigen Ausbau der etwa 80 Kilometer langen Schienenstrecke würde sich die Fahrzeit von Kai zu Kai auf weniger als eine Stunde belaufen und damit die Containerzahlen weiter anschwellen lassen. Angepeilt ist dann ein Güterzugverkehr im Zehnminutentakt, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Gemanagt alles vom Investor in HHLA und LHG – denn der heißt vermutlich Deutsche Bahn.