„Die Ressource Wasser ist nicht unbegrenzt“

Der Wasserwissenschaftler Matthias Barjenbruch hält Rohrspülungen für die beste Lösung zum Korrosionsschutz

taz: Herr Barjenbruch, die Berliner Wasserbetriebe appellieren an die Berliner, mehr Wasser zu verbrauchen zum Wohle der Kanalisationssysteme – ein ernst gemeinter Appell?

Matthias Barjenbruch: Wie ernst das gemeint ist, da bin ich mir nicht sicher. Ich jedenfalls könnte das so pauschal nicht vertreten. Ganz grundsätzlich wäre ein erhöhter Wasserverbrauch aber ein möglicher Ansatz. Der Wasserverbrauch in Berlin und im Nordosten Deutschlands ist drastisch zurückgegangen. Ohne die heutigen teuren Durchspülungen der Kanäle würde das zu beträchtlichen Schäden durch Korrosion führen.

Wie viel Wasser müsste denn der einzelne Berliner verbrauchen, um die Durchspülungen überflüssig zu machen?

Das lässt sich so allgemein nicht sagen und hinge sicherlich auch immer vom jeweiligen Kanalabschnitt ab. Zum heutigen Verbrauch müsste das aber eine ganze Ecke mehr sein. Und da liegt ja auch die Kehrseite: Die Ressource Wasser ist nicht wirklich unbegrenzt.

Aber gilt Berlin nicht als ausgesprochen wasserreiche Region?

Eben nicht. Wenn man den Klimaprognosen glaubt, wird Berlin in Zukunft eine sehr wasserarme Gegend. Schon heute gelten Berlin und Brandenburg als Wassermangelregionen. Zudem bekommt die Spree deutlich weniger Wasser, da damit die stillgelegten Tagebaulöcher in der Lausitz aufgefüllt werden.

Also doch Wasser sparen. Aber was ist die Lösung für die verschlammte Kanalisation?

Da gibt es keine Pauschallösung. Momentan sind die künstlich eingeleiteten Durchspülungen und der Einsatz von weichen Chemikalien, wie konzentriertem Sauerstoff, tatsächlich das probateste Mittel.

Und wenn man die Kanalisationssysteme verkleinert?

Das wäre die letzte und ungünstigste Lösung. Das beträfe aber weniger Berlin, sondern vor allem Städte im Nordosten Deutschlands, die gerade einen Bevölkerungsschwund erleben. Diese Regionen träfe ein Umbau der Kanalisation dann doppelt: Erstens würde das richtig teuer werden, und zweitens müssten dann diejenigen Verbraucher dafür aufkommen, die am Ende des demografischen Abstiegs noch in der Stadt wären.

Was schlägt die Wissenschaft zur Lösung des Problems vor?

Auch wir haben leider noch keine weiteren Erkenntnisse. Im Moment arbeiten wir an der TU aber mit Pariser Universitäten zum Thema der Geruchs- und Korrosionsverminderung zusammen. Die Probleme und Verfahren sind in beiden Städten sehr ähnlich. Am Ende wollen wir Ergebnisse der gemeinsamen Forschungsstudie natürlich auch ganz praktisch in Berlin ausprobieren.

Matthias Barjenbruch, 46 Jahre, ist Professor und Leiter des Fachgebiets Siedlungswasserwirtschaft an der TU Berlin