Kalter Krieg mit Krediten

Weil China großzügig Geld an die Entwicklungsländer vergibt, laufen Währungsfonds und Weltbank die Kunden davon. Der Westen verliert dadurch an Macht, der Osten erhält Zugang zu Rohstoffen

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Längst sind sie überall in Afrika anzutreffen: Auf den hitzeflirrenden Ölfeldern in Sudan, beim Straßenbau im äthiopischen Hochland, auf den Märkten im Stadtzentrum von Johannesburg, wo sie Textilien, Medikamente und Haushaltsartikel anbieten: chinesische Ingenieure, Techniker und Händler. China hat Afrika entdeckt. Es sieht in ihm nicht zuallererst den Katastrophenkontinent, sondern einen mit allen wichtigen Rohstoffen ausgestatteten Erdteil. In den internationalen Entwicklungsorganisationen und Finanzorganisationen Weltbank und Internationalem Währungsfonds löst die aggressive Außenwirtschaftspolitik Chinas Besorgnis aus.

Denn Handel und Direktinvestitionen zwischen Afrika und Asien wachsen auch aufgrund der Kredite, die China gewährt. 2006 hat China allein Nigeria, Mosambik und Angola 6,7 Milliarden Euro geliehen – fast viermal so viel, wie die Weltbank in Washington dem ganzen Kontinent zur Verfügung stellte. Doch nicht nur China, sondern auch Venezuela und Russland betreiben mit ihren Überschüssen aus dem Energiegeschäft Investitionspolitik und laufen Weltbank und Internationalem Währungsfonds so den Rang ab. Alles deute auf eine „Entmachtung des bisherigen Geberkartells“ hin, sagte kürzlich Helmut Reisen von der OECD in Paris.

Großer Verlierer dieser Entwicklung könnten die USA sein, da viele Schwellenländer ihre Exporterlöse nicht mehr in US-Staatsanleihen stecken und damit zur Deckung des gewaltigen US-Haushaltsdefizits beitragen. Vielmehr legen diese Länder ihr Geld bei den neuen regionalen Förderbanken an oder investieren in Entwicklungsländer.

Während China seine gewaltigen Handelsüberschüsse in den rohstoffreichen Ländern Afrikas einsetzt, unterstützt Venezuela mit seinen Petrodollars in erster Linie befreundete lateinamerikanische Staaten.Entwicklungspolitik wird fast wieder zu einem Ost-West-Konflikt wie zu Zeiten des Kalten Krieges.

Die neue „Süd-Süd-Kooperation“ ist den Ländern des Nordens ein Dorn im Auge, sagen amerikanische Banker hinter vorgehaltener Hand. Während Venezuela Milliarden an befreundete Staaten verteilt, „laufen dem IWF derweil die Kunden davon“, beklagt der Westen.

Dabei bedient sich China zur Sicherung von Rohstoffen Methoden, die – obwohl von den Europäern jahrzehntelang praktiziert – heute als politisch inakzeptabel gelten. China stellt keine Forderungen nach guter Regierungsführung oder Transparenz. Demokratischer Wandel sei eine „interne Angelegenheit“, in die man sich nicht einmische. So ist es keine Überraschung, dass zum Beispiel vor ein paar Jahren von chinesischen Ingenieuren eine Waffenfabrik in der sudanesischen Hauptstadt Khartum hochgezogen wurde.

Genau deshalb wirft Weltbankpräsident Paul Wolfowitz Peking vor, korrupte und menschenverachtende afrikanische Diktatoren zu unterstützen. Leider wird dabei vom Westen zum Beispiel übersehen, dass sudanesische Janjaweed-Milizionäre auch mit G-3-Schnellfeuergewehren aus deutscher Lizenzproduktion in Darfur morden. Paul Wolfowitz, der in seiner früheren Rolle als amerikanischer Staatssekretär Ideen wie „Präventivschläge“ und den US-Irakkrieg propagierte, wirkt in Afrika zum Teil wenig glaubwürdig, wenn er die Prinzipien der Menschenrechte, der Good Governance und Korruptionsfreiheit bewirbt.

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