Bundeswehr-Video entsetzt New Yorker

Ein im Internet veröffentlichtes Video über die Bundeswehr-Ausbildung sorgt in den USA für Schlagzeilen: Ein junger Soldat musste bei der Schießübung auf imaginäre Schwarze in der Bronx feuern. Bezirksbürgermeister verlangt Entschuldigung

AUS BERLIN CIGDEM AKYOL

„Stellen Sie sich vor, Sie sind jetzt in der Bronx“, fordert der Bundeswehr-Ausbilder den jungen Soldaten auf. Die beiden sitzen in einem deutschen Wald, doch der Soldat soll sich einen gefährlicheren Ort vorstellen – den berüchtigten New Yorker Stadtteil. Drei „Afroamerikaner“ beleidigten „Ihre Mutter aufs gröbste“, erklärt der Ausbilder. Auf die solle der junge Mann schießen: „Vor jedem Feuerstoß will ich ein lautes ‚Motherfucker‘ hören“, verlangt er. Der junge Soldat lacht verlegen. Dann schießt er – und ruft: „Motherfucker!“ Die Szene stammt nicht aus einem schlechten Hollywoodfilm, sie hat sich tatsächlich so ereignet.

Die Online-Redaktion des Sterns hatte das Video mit dem Titel „Bundeswehr Motherfucker“ im Internet entdeckt und bekannt gemacht. Die Szene soll im Juli 2006 in der Feldwebel-Schmid-Kaserne in Rendsburg in Schleswig-Holstein gefilmt worden sein. Der verantwortliche Ausbilder wurde bereits versetzt, dienstrechtliche Maßnahmen werden geprüft, sagte ein Sprecher der Streitkräftebasis in Bonn. Wer das Video aufgenommen und veröffentlicht hat, ist noch nicht geklärt, einen Verdächtigen gibt es aber. „Bei dem Vorfall handelt es sich um einen Einzelfall, der in keiner Weise im Zusammenhang mit anderen Ereignissen steht“, beteuerte der Sprecher.

Eine Aussage, über die Jürgen Rose, Oberstleutnant und Vorstandsmitglied des Darmstädter Signals, einer Vereinigung kritischer Soldaten, nur lachen kann. „Wenn von oberster Stelle Latrinenparolen gerufen werden, ist es nicht verwunderlich, dass unten die Kloaken entstehen“, sagte Rose der taz. Die Einzelfall-These hält er für Unsinn. „Seit den Achtzigern hält der wehrmachtsinspirierte Kämpferkult wieder Einzug in die Bundeswehr“, sagt er, schließlich sei die Bundeswehr als optimierte Wehrmacht konzipiert worden.

Das Video sorgt inzwischen auch in den USA für Empörung. Der amerikanische Bürgerrechtler Al Sharpton bezeichnete es als „skandalös, dass Schwarze als Zielscheibe benutzt werden“. Der Bürgermeister der Bronx, Adolfo Carrion, verlangt eine Entschuldigung der Bundeswehr. Dies sei das Mindeste, was die schwarzen Einwohner der Bronx erwarten könnten.

Auch wenn die Bundeswehr es so darstellt – ein Einzelfall ist das jüngste Video nicht. Bereits 1997 wurde ein Video veröffentlicht, in dem Soldaten aus Schneeberg in Sachsen Erschießungen und Vergewaltigungen nachstellten. Erst im Oktober sorgten Bilder für Entsetzen, auf denen Bundeswehrsoldaten in Afghanistan mit Totenschädeln posieren. Vor einem Gericht in Münster müssen sich derzeit 18 frühere Bundeswehr-Ausbilder wegen der Misshandlung Untergebener verantworten.