Gut-Welle rollt

Nie mehr „Benzin-Wut“ und Anti-Ökosteuer-Hetze? Zusammen mit den drei größten deutschen Umweltverbänden will die „Bild“ jetzt das Klima retten

VON SABINE GUSBETH
UND MALTE KREUTZFELDT

Die Presseeinladung verspricht Großes: „Eine noch nie da gewesene Kooperation“ unter dem Motto „Rettet unsere Erde“. Denn: „Globale Katastrophen sind die Folge, wenn die Menschheit jetzt untätig bleibt. Dieser Realität müssen wir uns alle stellen und uns fragen, wie wir die massive globale Erwärmung noch verhindern können.“

Die eigentliche Überraschung ist aber der Absender der aufrüttelnden Zeilen: die Pressestelle der Axel Springer AG. Deren Bild-Zeitung, die am Samstag noch die aktuellen Hochtemperaturen als „wunderbaren Wetter-Wahnsinn“ bejubelte, startet eine gemeinsame Kampagne mit den drei größten Umweltorganisationen Deutschlands. Die Geschäftsführer von Greenpeace, dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und dem World Wide Fund for Nature (WWF) wollen heute auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Bild-Chefredaktion erläutern, wie „die Menschen in Deutschland mit weit reichenden Aktionen aufgerüttelt, informiert und zum Klimaschutz aufgefordert werden sollen“.

Angesichts der früheren Bild-Berichterstattung über Umweltthemen erscheint diese Kooperation überraschend. Dieselbe Zeitung, die einst mit einer Aufkleberkampagne unter dem Motto „Öko-Steuer? Ich hup’ euch was“ gegen Rot-Grün mobilmachte und bei steigenden Spritpreisen die „Benzin-Wutwelle“ gegen Umweltminister Jürgen Trittin ausrief, will nun geläutert die Welt retten. „Als ich die Einladung zur Pressekonferenz gesehen habe, musste ich mich erst vergewissern, ob die echt ist“, kommentiert Gerd Rosenkranz, Öffentlichkeitsleiter der nicht beteiligten Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Auch bei den beteiligten Organisation – die nach taz-Informationen von der Bild-Chefetage vorgegeben worden sind – hat es intensive Diskussionen gegeben, berichtet Greenpeace-Sprecherin Cornelia Deppe-Burghardt. Angesichts der dramatischen Klimasituation seien Vorbehalte jedoch zurückgestellt worden. „Außergewöhnliche Situationen erfordern neue Wege“, sagte Deppe-Burghardt der taz. Letztlich habe die große Zahl der Bild-Leserinnen und -Leser den Ausschlag gegeben: „Wir können mit dieser Kampagne zwölf Millionen Menschen ansprechen, die wir anders nur schwer erreichen würden.“ Auch Norbert Franck, Leiter der BUND-Öffentlichkeitsarbeit, sagt, die Entscheidung sei „nicht leichtgefallen“, doch die Kooperation biete die Chance, „den Klimaschutz langfristig auf der Tagesordnung zu halten“. Geplant sei zunächst eine Laufzeit von einem Jahr.

DUH-Mann Rosenkranz sieht gerade diese langfristige Zusammenarbeit als Problem. „Man muss wissen, welchen Tiger man da reitet“, warnt er. „Bild verfolgt dabei eher die eigenen Interessen.“ Rosenkranz befürchtet, dass es den Naturschutzverbänden schaden könnte, wenn die Boulevardzeitung ihre Position wieder ändert.

Wie schnell das gehen kann, konnten die Bild-Leser nach dem UN-Klimabericht erleben. Am 23. Februar fand sich auf der Titelseite die Warnung „Wir haben nur noch 13 Jahre, um die Erde zu retten.“ Keine zwei Wochen später hatte sich der Wind schon wieder gedreht: „Sollen wir Deutsche die Erde alleine retten?“, lautete die Schlagzeile am 5. März. Denn irgendwo, so der dazugehörige Bild-Artikel, höre der Spaß am Weltretten schließlich auf: „Wir sollen nicht mal mehr in Urlaub fliegen!“