„Metal-Fans ruhen sehr in sich“

Einmal im Jahr treffen sich bis zu 60.000 Heavy Metal-Anhänger beim Open-Air-Festival im schleswig-holsteinischen Dörfchen Wacken. Die Dokumentation „Full Metal Village“ erzählt, wie die Wackener Bevölkerung das verkraftet – und was das Leben hier sonst ausmacht. Die taz sprach mit Regisseurin Sung-Hyung Cho

Für „Full Metal Village“ erhielt SUNG-HYUNG CHO, geboren 1966 in Seoul/Südkorea, den diesjährigen Max-Ophüls-Preis 2007. FOTO: DPA

Interview: KLAUS IRLER

taz: Frau Cho, kennt man das Wacken-Open-Air in Südkorea?

Sung-Hyung Cho: Die Metal-Fans schon. Ich war in Seoul in einem Laden für Heavy Metal-CDs und habe die Verkäufer gefragt, ob sie von Wacken gehört hätten. Sie sagten gleich: „Jaaa, Wacken! Es ist unsere Traum, einmal dorthin zu pilgern.“ Aber Koreaner haben nur eine Woche Urlaub im Jahr, das macht es schwierig, dahin zu fliegen.

In Ihrem Film „Full Metal Village“ spielt nicht das Open-Air die Hauptrolle, vielmehr lassen Sie verschiedene Dorfbewohner von ihrem Alltag erzählen und portraitieren so das Dorf. Was hat Sie an Wacken und seiner Bevölkerung interessiert?

Ich sah 2002 einen Bericht in der FAZ über das Wacken Open-Air und konnte es nicht glauben, dass so etwas in Deutschland möglich ist. Dass etwas total Fremdes in Gestalt von 40.000 Metal-Fans in die Provinz einfällt und akzeptiert wird. Meine Erfahrung als Ausländerin in Deutschland ist anders: Ich werde als Fremde nicht so herzlich und unbefangen aufgenommen. Ich musste dann herausbekommen, warum das in Wacken klappt.

Was ist die Antwort?

Zum einen ist das Open-Air dort nicht vom Himmel gefallen: Die Gründer kommen selbst aus Wacken und das Festival und die Bevölkerung sind im Lauf der Jahre zusammengewachsen. Außerdem haben die Norddeutschen eine andere Mentalität, als ich erwartet hatte: Die, die ich kennen gelernt habe, waren sehr kontaktfreudig und neugierig auf die Fremden. Sie haben eine ungestörte Beziehung zu sich selbst und sie lieben ihre Heimat. Das kannte ich auch nicht von den Deutschen. Ich kenne die Deutschen eher als eine Nation, die sich vor lauter Selbstkritik kaum aushält. Ich denke mittlerweile, dass man vielleicht besser in der Lage ist, das Fremde zu akzeptieren, wenn man eine ungestörte Beziehung zu sich selbst und zu seiner Heimat hat.

Wie erleben Sie denn die Metal-Fans in Sachen Ausgeglichenheit?

Die Metaller ruhen sehr in sich. Das glaubt man nicht, aber sie sind relativ zufrieden mit sich selber und ihrem Leben. Viele haben eine normale Arbeit, ein hohes Bildungsniveau und einfach diese Leidenschaft für Heavy Metal. Sie sind sehr herzlich und direkt und deftig. In diesen Punkten sind sie den Dorfbewohnern sehr ähnlich. Überhaupt habe ich mehr Gemeinsamkeiten zwischen den Metal-Fans und Dorfbewohnern gefunden als Unterschiede: Beide sind sehr trinkfest und lieben es, ritualisiert gemeinsam zu feiern und zu singen. In dieser Beziehung finde ich die beiden Kulturen sehr archaisch.

Worin bestehen dennoch die Unterschiede?

Natürlich im Aussehen. Und in der Liebe, absurde Dinge zu tun: Die Metaller zum Beispiel setzen sich zum Spaß in eine Mülltonne, um dort zu singen. Sowas machen die Dorfbewohner nicht. Aber sie sind wie die Metaller sehr erdverbunden. Unterschiedlich ist nur, wie es sich ausdrückt: Die Metaller wälzen sich im Schlamm und bei den Dorfbewohnern hat jeder Tomaten oder Zucchini im Vorgarten.

„Die meisten Dorfbewohner sind stolz darauf, dass da Leute aus der ganzen Welt nach Wacken kommen“

Trotzdem erzählt Ihr Film auch von Leute wie Oma Irmchen, die Probleme hat mit dem Festival und Wacken zur Festival-Zeit verlässt.

Ja, aber Oma Irmchen ist da in der Minderheit. Ich hatte Glück mit ihr, denn ohne einen Konflikt wäre der Film langweilig geworden. Bei Irmchen ist es so, dass sie die Leute nie wirklich kennen gelernt hat. Deswegen konnte sie ihre Vorurteile aufrecht erhalten. Ich wäre gerne mit ihr zusammen zur Festival-Eröffnung gegangen und hätte ihr gezeigt, wie die Wackener Blaskapelle dort spielt und die Bewohner zusammen mit den Metallern Polonaise tanzen.

Welche Rolle spielt das Geld für das friedliche Nebeneinander zwischen Dorfbewohnern und Metal-Fans?

Das Geld spielt natürlich eine Rolle, aber man darf das nicht überschätzen. Das wäre zu kurz gegriffen. Es ist wie mit der Begeisterung für die WM: Es wäre Quatsch zu sagen, dass die nur da war, weil Geld verdient werden konnte. Es ist eher so, dass die meisten Dorfbewohner stolz darauf sind, dass da Leute aus der ganzen Welt nach Wacken kommen. In Wacken ist ja sonst nichts los, und im Lauf der Jahre sind die Dorfbewohner so tolerant geworden, dass sie es lustig finden, wie die Metaller sich anziehen und sich das vom Vorgarten aus anschauen. Ganz am Anfang habe ich gedacht, das wären zwei Welten, die unvereinbar sind. Aber das ist nicht so.