Goldene Stiefel und Mettbrötchen

Mit kölschem Charme hat der Nachwuchsgalerist André Schlechtriem New York erobert. Jetzt kehrt er mit einem Stand auf der Art Cologne in seine alte Heimat zurück

Metzger wollte er nie werden. „Dabei habe ich nichts gegen Wurstwaren“, sagt André Schlechtriem. „Ich habe mich bloß einfach schon immer für Kunst interessiert.“ Und so hat der Sohn eines Biometzgers aus Köln lieber Kunstgeschichte studiert, als Koteletts zu hacken. Den Segen der Eltern hatte er. Die gingen selbst gern ins Museum.

Jetzt ist Schlechtriem als junger Nachwuchsgalerist auf der Kölner Kunstmesse Art Cologne vertreten. Seine Visitenkarte nennt die Adresse New York. Fünf Jahre ist es her, dass Schlechtriem in den härtesten Kunstmarkt der Welt eintauchte – als Praktikant in der Galerie Gasser & Grunert. Nun versprüht der 28-Jährige, der mit seinem Auftritt auf der Art Cologne quasi nach Hause zurückgekehrt ist, zusammen mit einem halben Dutzend amerikanischer Galerien internationales Flair. Und zeigt, dass Köln als Kunstmessestandort doch nicht abgeschrieben ist. Durch die Verlegung der Art Cologne ins Frühjahr hat sich die Stadt offenbar wieder berappelt. „Köln ist schon eine richtige Kunststadt, die allerdings das Problem hat, dass sich hier alle nur beklagen“, sagt Schlechtriem.

Sein Positive Thinking hat ihm unter anderem Tanja Grunert eingeimpft. Frisch in New York angekommen, schickte sie ihren Praktikanten gleich zur Standbetreuung auf die Art Miami. Und dort kam seine Karriere ins Rollen. Denn auf der Messe lernte Schlechtriem Harvey Miller kennen, der die Judith Rothschild Foundation verwaltet, eine gewichtige Stiftung in den USA.

Außerdem saß Miller damals im Beratungskomitee für die Abteilung Zeichnung des MoMA. Ein echter „Player“ also, dem Schlechtriem mit der Furchtlosigkeit des Kunstmarkt-Novizen die Videoarbeiten von Eija-Liisa Ahtila erklärte. Das muss Miller beeindruckt haben. „Harvey und ich sind Freunde geworden. Er hat mich in die New Yorker Society eingeführt, uptown, die ganzen Museumstöfties und so“, erzählt Schlechtriem. Im Gegenzug nahm er Miller zu den Vernissagen hipper Galerien in Chelsea mit. „Irgendwann hat mich Harvey dann gefragt, ob ich nicht mal für ihn junge Kunst kaufen kann.“

Schließlich verbrachte André Schlechtriem den Großteil seiner Zeit nicht mehr im Galerieraum, sondern in der Business Class. Er jettete um die Welt, kaufte für die Rothschild Foundation junge Künstler wie Cosima von Bonin und Kai Althoff. 30 Millionen Dollar durfte er ausgeben, um eine Sammlung von 2.600 Zeichnungen zusammenzustellen, die später dem MoMA geschenkt wurde.

Was kann da noch kommen? Im Februar 2006 eröffnete Schlechtriem seine eigene Galerie, „André Schlechtriem Temporary“, schräg gegenüber von David Zwirner in Chelsea. Ena Swansea hat er im Programm, Malerin und neuer Darling der New Yorker Sammler. Dazu Ralf Ziervogel und Erik Schmidt, die er in den USA bekannt machen will. Sein Missionarsdrang wirkt auch in die Gegenrichtung: Bei der Art Cologne stellt er im „Open Space“-Bereich Carla Arocha aus. Deren Werke wurden schon vom Art Institute Chicago gekauft, in Europa ist die Künstlerin noch relativ unbekannt. In Köln wird nun ihr Werk „Marauder“ gezeigt: ein fünf Meter hoher kreisrunder Vorhang aus halbmondförmigen verspiegelten Plastikelementen.

Der Galerist freut sich über seine Standplatzierung zwischen etablierten Kölner Kollegen wie Nagel, Buchholz und Capitain. Den Messerummel, das Gerangel um Plätze auf den Ausstellerlisten findet er sonst eher fragwürdig. „Wenn ich etabliert wäre, würde ich gar keine Messen machen“, sagt Schlechtriem. „Aber für junge Galeristen sind solche Veranstaltungen wichtig, um Leute kennen zu lernen.“ Auch wenn nicht immer große Gewinne abfallen. 30.000 Dollar habe ihn sein Auftritt im letzten Jahr in Miami gekostet, erzählt der Galerist: „Verkauft habe ich Kunst für 65.000 Dollar. Nachdem ich die Künstler ausgezahlt habe, blieben also noch 5.000 Dollar übrig. Und die sind dann für Hotels und Caipirinhas draufgegangen.“

Gewisse Extravaganzen leistet er sich schon. Zum Beispiel Rockgitarristenstiefel von Hedi Slimane in Silber und Gold. Oder mit Elisabeth von Thurn und Taxis eine adelige Assistentin. Bei der Eröffnung seiner Galerie gab es damals Kölsch und Reibekuchen. Und jetzt auf der Art Cologne? Hamburger und Cola? „Nein“, sagt Schlechtriem. „Mettbrötchen. Leckere Mettbrötchen von meinen Eltern.“

TIM ACKERMANN