Pop-Pop-Populär!

Seit fünf Jahren überzeugt das Umsonst-Magazin „Goon“, produziert unter Fanzine-Bedingungen, mit Qualität und eigenwilligem Themenmix

VON RENÉ HAMANN

Die Zeit der Fanzines ist lange vorbei. Zu Zeiten, in denen es noch schrottige Konzertmitschnitte auf Kassetten zu kaufen gab, existierten sie noch, und zwar haufenweise: schwarzweiß fotokopierte, eigenhändig zusammen getackerte Werke, streng subjektiv, streng aus Fansicht geschrieben. Heutzutage hat das Web 2.0 mit Freundesseiten und Blogs das Geschehen übernommen. Offline versuchen immer wieder totgesagte Fachzeitschriften, das journalistische Niveau zu halten, obschon es finanziell schwieriger zu werden scheint. Nebenher gibt es einige wenige Magazine, die tatsächlich relativ unabhängig agieren können, weil sie dem ökonomischen Druck mit den Mitteln des Idealismus begegnen. Goon ist so eins. Ein Magazin, das sich frei von Gefälligkeitsjournalismus und Fanperspektive in Qualität übt. In diesem Frühjahr feiert es sein fünfjähriges Bestehen.

Gegründet wurde Goon als Projekt von Freunden, die sich schon seit der Schule kennen. Das „Magazin für Gegenwartskultur“, so der etwas gestelzte Untertitel, erscheint in einer Auflage von 10.000 Stück und liegt in ausgewählten Läden kostenlos aus. Unter www.goon-magazine.de steht die aktuelle Ausgabe auch als pdf-Datei zum Download bereit – ein Angebot, das laut Redaktion pro Heft über 10.000 Mal genutzt wird. Zählt man die so vertriebenen Exemplare zusammen, ist man auf einmal nicht mehr sehr weit von der Auflage der Spex entfernt.

Doch von Spex hat man sich von Anfang an distanziert. „Es gab kein Magazin, das sich mit Popkultur beschäftigt und uns irgendwie erreicht hat“, bringt Sebastian Hinz, einer dieser Freunde, den Antrieb für die selbstpublizierte Vierteljahrszeitschrift auf den Punkt. Mit einem klugen Mix aus popinternen und popentfernten Themen wie Tanztheater und Riester-Rente machte sich Goon 2002 auf, dies zu ändern.

Natürlich basiert die Arbeit der jungen MacherInnen aus Berlin, von denen fast alle noch irgendwas Geisteswissenschaftliches studieren, hauptsächlich auf Selbstausbeutung. Honorare können sie keine zahlen, immerhin werden die Produktionsunkosten durch Anzeigen und Veranstaltungen wieder eingespielt. „Perspektivisch wollen wir schon einmal davon leben können“, sagt Astrid Hackel, einziges weibliches Mitglied der Redaktion. Nach dem Studium kommt nämlich schnell die Existenzfrage auf – die Frage, wer den ganzen Idealismus bezahlen soll. Eine abschließende Antwort darauf hat man bei Goon noch nicht gefunden. Dafür hat man mit der Jubiläumsausgabe einen Schritt nach vorn unternommen: mehr Hochglanz, mehr Inhalt, mehr Druckqualität. Es gibt Artikel zum New Yorker Hiphopper El-P, zu französischer Banlieues-Literatur und ein Special über Blasphemie in der Kunst.

Ein weiterer Schwerpunkt ist das Schreiben über Pop an sich. Popjournalismus ist heutzutage ein gern diskutiertes Thema, vor allem unter Popjournalisten. Neu ist, dass von den Kritikern in den eigenen Reihen inzwischen nicht nur größere Kompetenz in musikfernen Bereichen erwartet wird, sondern auch eine größere Literarizität. „Gute Kritiker sind zuallererst gute Schriftsteller“, wie Frank Schäfer in der Jungen Welt meinte. Der ich-zentrierte Gonzo-Journalismus hat sich ausgereizt und ist in neoliberalem Gewäsch geendet. Die Lücke zwischen betriebsblinden Auftragsschreibern, nerdigem Spezialistentum und dem bürgerlichen Feuilleton steht offen. Da heißt es, schlauer, offener und vielseitiger zu sein – weshalb vielleicht gerade jetzt die Zeit von Goon gekommen ist, unterteilt es seine Themen doch jenseits der klassischen Rubriken in „Töne“, „Worte“ und „Bilder“.

Der derzeit laufenden Diskussion nimmt sich Goon aber auch direkt mit drei Seiten plus O-Tönen einiger Protagonisten wie Mercedes Bunz (Tagesspiegel) oder Andrian Kreye (Süddeutsche Zeitung) an. Schon das Editorial stellt klar: Pop kommt gar nicht von „populär“, sondern bedeutet schlicht „Knallen“, also das, was eine zu weit aufgeblähte Blase macht. Und knallen, das kann bei Goon von der alerten Theatergruppe bis zur sensiblen Romanautorin eben alles.