Klima wandelt die Wälder

Strategie gegen die Versteppung: Brandenburgs Förster pflanzen andere Bäume nach, um den Wald auf die Erderwärmung vorzubereiten. Statt empfindlicher Eichen sind jetzt robuste Linden gefragt

VON ULRICH SCHULTE

Manchmal bewirkt der Klimawandel Gutes. In Brandenburgs Wäldern, in denen vor allem Kiefern in Reih und Glied stehen, werden in Zukunft mehr Laubbäume wachsen. Die Potsdamer Forstverwaltung versucht, den Wald mit einer neuen Strategie gegen die Erderwärmung zu wappnen. „Wir pflanzen vor allem die einheimischen Baumarten nach, die gut mit Klimastress klarkommen“, sagte Michael Luthardt gestern, der Referatsleiter Waldökologie im Umweltministerium. Das sind etwa Linden, aber auch Hainbuchen, Spitz- und Bergahorn oder Rubinien.

In vier Fünfteln der brandenburgischen Wälder stehen Kiefern. Bis vor wenigen Jahren konzentrierte sich die Behörde beim Versuch, den Wald zu mischen, auf Eichen und Buchen – auch weil sich deren Holz gut vermarkten lässt. Mit dem Strategiewechsel solle „das Risiko breiter gestreut“ werden, erklärt Luthardt. „Stehen viele Arten im Wald, ist es nicht so schlimm, wenn ein paar davon mit dem Klimawandel nicht klarkommen.“ Brandenburg ist wegen seiner kontinentalen Lage im Ländervergleich am stärksten von der Erderwärmung betroffen: Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung rechnen bis 2050 mit einem Anstieg der Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad.

Die Förster verlassen sich beim Baummix auch auf ihr Auge. Denn nicht alle Bäume einer Art reagieren gleich auf Hitze. Zeigt eine Eiche sich wenig anfällig für extreme Wetterereignisse, zum Beispiel den Hitzesommer 2003 oder den Dürreherbst 2006, dann wählen sie vor allem ihr Saatgut für neue Bäume aus, so Luthardt weiter. Auch beim Klimawandel herrscht ganz darwinistisch „Survival of the fittest“.

In einzelnen Regionen Südbrandenburgs könnte es in einigen Jahrzehnten aussehen wie in der Trockensteppe – in der sich Gras, Büsche und Hecken abwechseln. „Dort könnte sich die Vegetationsform Wald auflösen“, prognostiziert Luthardt.

Im Berliner Landesforstamt bleibt man angesichts steigender Temperaturen gelassen. „Unsere Wälder sind Erholungswälder und besser gemischt als die Brandenburgs“, sagt Sprecher Marc Franusch. Auch in der Hauptstadt dominiert auf 65 Prozent der Fläche die Kiefer, es folgt mit 15 Prozent die Eiche, dann Buchen und Birken. Die Forsten, die im Jahr 2002 das Öko-Zertifikat des Naturland Verbandes erhielten, lassen 10 Prozent ihrer Fläche „geplant“ verwildern, zum Beispiel im Frohnauer Forst oder am Müggelheimer Damm in Treptow-Köpenick. „Die natürliche Verjüngung ist am intelligentesten an neue Bedingungen angepasst“, so Franusch. Will heißen: Der Wald weiß am besten, wie mit der vom Menschen gemachten Erderwärmung umzugehen ist.

Im Moment steht er wieder mächtig unter Stress. Wenn nicht in den nächsten Tagen wie durch ein Wunder ergiebiger Regen fällt, wird der April der trockenste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor über 100 Jahren. In Brandenburg haben die Behörden schon vor Ostern die höchste Waldbrandstufe vier ausgerufen – und auch in Berlin kann die achtlos weggeschmissene Kippe fatale Folgen haben.