G-8-Gegner besuchen Rütli-Schule

In der Neuköllner Rütli-Schule findet das erste Berliner Sozialforum statt. Damit wollen linke Gruppen auf lokale Folgen der G-8-Politik aufmerksam machen und zum Protest in Heiligendamm mobilisieren

VON RICHARD ROTHER

Wenige Wochen vor dem G-8-Gipfel im mecklenburgischen Ostseebad Heiligendamm wollen Berliner Globalisierungskritiker und Sozialaktivisten die Folgen der Globalisierung vor Ort in den Blick nehmen.

Heute und morgen findet in der „Manege“ und in der gegenüberliegenden Rütli-Schule in Neukölln das erste Berliner Sozialforum statt. Zu dem zweitägigen Treffen, bei dem es Dutzende Arbeitsgruppen und Podien gibt (siehe Text unten), erwarten die Veranstalter rund 200 Teilnehmer. Diese werden Themen wie G 8 und die Prekarisierung von Arbeits- und Lebensverhältnissen diskutieren.

Zeitgleich zum Berliner Sozialforum werden in Bochum, Bremen, Freiburg, Heidelberg, Pforzheim, Reutlingen, Saarbrücken und in Ivry, einem Pariser Vorort, ebenfalls Aktivisten zu lokalen Sozialforen zusammenkommen.

Die in linken Kreisen mitunter geäußerte Kritik, dieses Berliner Sozialforum binde zu viele Kräfte, die den Anti-G-8-Protesten in Heiligendamm fehlen könnten, weist Organisatorin Corinna Genschel zurück. „Bei den G-8-Protesten gibt es noch Lücken, die wir schließen wollen.“ So solle das Berliner Sozialforum thematisieren, welche Folgen die G-8-Politik konkret für das Leben in der Stadt habe. Zudem werde es ein Podium geben, auf dem Aktivisten über den Stand der Vorbereitungen in Heiligendamm und Rostock informieren. Dies könne durchaus mobilisierend wirken.

Das Berliner Sozialforum sieht sich in der Tradition des Weltsozialforums, einer Zusammenkunft globalisierungskritischer Bewegungen, die seit 2001 jährlich stattfinden. Ursprünglich seien die Sozialforen als Gegenveranstaltung zu den von Kapitalinteressen bestimmten jährlichen Weltwirtschaftsforen geplant, so die Veranstalter. Diese hätten sich aber „zu Orten politischer Gegenwehr gegen neoliberale Politik“ entwickelt.

„Wir sind mehr als ein sozialpolitischer Kongress“, meint denn auch Peter Grottian, Politikprofessor an der FU Berlin und Mitorganisator des Sozialforums. Auf mittlere Sicht solle das Forum „die Herrschenden in Unruhe versetzen“, so Grottian. Konkret sollten sich drei Initiativen für Volksbegehren in Berlin – eine zum Sparkassenverkauf, eine zur Rekommunalisierung der Wasserbetriebe, eine gegen Studiengebühren – auf dem Forum zu einer vereinigen. Allerdings sei die außerparlamentarische Bewegung nicht mehr viel radikaler als die Linkspartei, kritisierte Grottian. „Das ist eine Schwäche.“ Verantwortlich dafür sei die Repression des Staates.

Die Spitzelaffäre in der Gruppe „Initiative für ein Berliner Sozialforum“ habe dem Forum allerdings nicht geschadet, so Grottian. Jahrelang war die Gruppe vom Berliner Verfassungsschutz ausspioniert worden. Davon hätten sich die Aktivisten aber nicht abschrecken lassen, so Grottian. Viele hätten damit gerechnet.

Mit den Veranstaltungsorten – dem Jugendzentrum Manege und der Rütli-Schule – wollen die Organisatoren ein Zeichen gegen „die Diskriminierung von migrantischen Jugendlichen setzen“, die sie in der Diskussion um die Rütli-Schule ausgemacht haben. Die Schule war wegen ihres hohen Migrantenanteils in die Schlagzeilen gekommen.

Allerdings werden weder Lehrer noch Schüler der Bildungseinrichtung eine Arbeitsgruppe auf dem Forum durchführen. „Aber vielleicht schaut der eine oder andere ja so einmal vorbei“, so ein Organisator. Es sei eben sehr schwer, vor Ort die Menschen von der Idee eines lokalen Sozialforums zu begeistern. Dabei seien auch innerhalb der Berliner Sozialaktivistenszene noch Barrieren abzubauen. „Machen wir das Sozialforum in Neukölln, kommen wenige aus Marzahn. Umgekehrt wäre es aber ganz genauso.“