Alter, was geht?

In 40 Jahren gehört jeder Siebte zur Generation 80 plus. Gerade die heute Jungen können sich also schon mal überlegen, welches Vorbild für sie passt: der Papst, die Queen, Margarete Mitscherlich, Loriot oder Hugh Hefner?

Jeder hat sein eigenes Image von Hochbetagten: den einen gelten sie als weise, den anderen als starrsinnig

VON BARBARA DRIBBUSCH

Zukunft muss nicht immer trüb sein, man muss nur lange genug durchhalten. Während heute schon viele 45-Jährige Panik kriegen vor der Altersdiskriminierung auf den Job- und Partnerschaftsmärkten, stehen 80-Jährige als neue Vorbilder in der Öffentlichkeit.

Die Queen, der Papst, aber auch Playboy-Gründer Hugh Hefner, der Satiriker Loriot und die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich befinden sich im neunten Lebensjahrzehnt. Für die Jüngeren können diese Leute interessante Rollenmodelle liefern – oder auch nicht.

„Die Altersgruppe der über 80-Jährigen dürfte auch in der Öffentlichkeit immer breiter und anerkennungsfähiger werden“, sagt der Wiener Soziologe Leopold Rosenmayr. Er ist 82 Jahre alt und hat gerade das Buch „Schöpferisch altern. Eine Philosophie des Lebens“ veröffentlicht (LIT-Verlag).

Rosenmayr hält Vorlesungen an der Universität Wien und bemüht sich gerade um Forschungsmittel für eine Studie über die Projektion der Jüngeren auf das Alter. „Die Hochbetagten sind weniger als Zeitzeugen gefragt – die Geschichte ist längst Medienangelegenheit geworden – sondern als Ereignisse, als Phänomene, personal verkörpert“, meint Rosenmayr. Vielleicht wird der Papst deshalb auch von einigen Medien als „Popstar“ bejubelt. Die Schauspielerin Helen Mirren gewann für ihre Darstellung der Queen einen Oscar.

Die Jungen haben guten Grund, sich für die Lebensmodelle von Hochbetagten zu interessieren. Nach Rechnungen des Demografieexperten Herwig Birg wird im Jahre 2050 zumindest jeder siebte Bürger über 80 Jahre alt sein. Heute befindet sich nur jeder 20. in diesem Lebensabschnitt.

Das lange Leben, vielleicht auch die Todesnähe verleihen den prominenten Hochbetagten dabei eine besondere Aura. Allerdings schwankt ihr Image: Ihnen werden zwar auch Weisheit und Abstand zu den Eitelkeiten der Welt zugeschrieben, aber mindestens genauso oft Bräsigkeit, Starrsinn und Verfall. „Man kann sich als junger Mensch oder auch im mittleren Alter jenes aus der Erscheinungsstruktur der Alten ‚herausnehmen‘, was einen interessiert“, rät Rosenmayr.

Dabei stellen sich Jüngere allerdings schon die bange Frage, ob denn ein 80-Jähriger wie der Papst dem vielen Reisen, Segnen, Predigen und Ansprachenhalten im hohen Alter überhaupt noch gewachsen sei. Kaum ein Mediziner bestreitet den körperlichen Abbau, die schmerzenden Gelenke, die beginnende Schwerhörigkeit und das nachlassende Kurzzeitgedächtnis in den späten Jahren.

Innerhalb des „eigenen Kompetenzraumes“ könnten aber auch sehr alte Menschen noch „große Leistungen“ vollbringen, erklärt Ulman Lindenberger, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Die physiologische Basis des Wissens sei „altersresistenter“ als andere körperlichen Gegebenheiten. Zudem verfügten die Älteren über vielfältige Möglichkeiten der Kompensationen.

Die Menschen seien vor allen Dingen viel unterschiedlicher, als es der gemeinsame Jahrgang vermuten ließe, gibt Lindenberger zu bedenken. „Die Variabilität der kognitiven Leistungsfähigkeit innerhalb einer Altersgruppe ist größer als die Unterschiede zwischen den Altersgruppen“.

Die prominenten Hochbetagten in der Öffentlichkeit sind daher auch Ergebnis eines Selektionseffekts und keine Zufallsauswahl. Sie sorgen für ein besseres Image des hohen Alters. Das wird sonst durch Debatten über Seniorenheime und Krankheitskosten verdunkelt. Dabei ist nur jeder Fünfte aus der Altersgruppe der 80- bis 85-Jährigen pflegebedürftig.

Wie es mit der gesellschaftlichen Rehabilitation der Hochbetagten weitergeht, wenn es immer mehr von ihnen gibt, wird die Zukunft weisen. Rosenmayr kennt jedenfalls auch die Tücken des Alters. „Man darf sich nicht nur auf seine Erfahrung berufen, denn die baut ja auf einer Wirklichkeit auf, die es so nicht mehr gibt“, mahnt der Autor. „Nur wer bereit ist, immer wieder Neues aufzunehmen, der bleibt lebendig. Die Nostalgie ist eine zerstörerische Kraft“.