Die Tage sind GEZählt

Wem die Gebühr gebührt (1): Ab dem 2. Mai verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Gebührenklage von ARD und ZDF. Sender und Medienpolitik erwarten ein Grundsatzurteil

In Deutschland steht das System der Rundfunkgebühren auf dem Prüfstand. Vor Beginn der Verhandlungen vorm Bundesverfassungsgericht erklärt die taz in der neuen Serie „Wem die Gebühr gebührt“ zunächst, worüber in Karlsruhe gestritten wird. In der Folge stellen wir vor, wie andere Länder ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanzieren und für die Zukunft fit machen.

Selten lagen bei einem Prozess Anlass und Ursache weiter auseinander. Wenn sich das Bundesverfassungsgericht am 2. Mai mit der Rundfunkgebühr befasst, geht es formal um einen alten Hut aus dem Jahr 2004. Damals hatte eine seltsam große Koalition der Bundesländer von Rot bis Schwarz die vorgesehene Gebührenerhöhung wegen des allgemeinen wirtschaftlichen Krisengefühls in Deutschland ermäßigt und sich so den Zorn der Öffentlich-Rechtlichen zugezogen (siehe Kasten). Doch vom ersten Senat des Gerichts wird längst viel mehr erwartetet: ein Grundsatzurteil über die künftige Finanzierung – und damit auch den Stellenwert – von ARD, ZDF und Deutschlandradio.

Der am Ende stehende Richterspruch kann schon heute in eine Reihe mit anderen großen Rundfunkurteilen wie dem zur Einführung des Privatfernsehens und -radios gestellt werden. Denn es steht zu erwarten, dass die Verfassungsrichter an ihre Ausführungen zur Zukunft der Rundfunkgebühr auch Bedingungen knüpfen, wie das öffentlich-rechtliche System künftig auszusehen hat – und wer es kontrolliert. Und ganz nebenbei die Frage erörtern, was im digitalen Zeitalter unter den Begriff „Rundfunk“ fällt und was nicht.

Die Kernpunkte Finanzierung und Kontrolle standen auch im Mittelpunkt der langwierigen Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission, die ARD und ZDF offenbar zu ihren Gunsten entschieden haben: Sie müssen nun ihr Geschäftsgebaren transparenter machen, eine klare Grenzziehung zwischen ihrer öffentlich-rechtlichen Rolle und ihren privatwirtschaftlichen Aktivitäten mit ihren Produktions- und Werbetöchtern akzeptieren und den für die Aufsicht zuständigen Rundfunk- und Fernsehräten mehr Mitspracherechte geben. Ob Karlsruhe die Brüsseler Anforderungen noch verschärft, bleibt abzuwarten.

Sehnsüchtig erwartet wird der Richterspruch aber nicht nur von den Sendern, sondern auch von der Medienpolitik: Sie hatte sich zwar schon im Spätsommer 2006 eine grundsätzliche Reform des Gebührensystems binnen einem Jahr verordnet. Aber die entsprechende Diskussion schon nach kurzer Zeit mit Verweis auf das Karlsruher Urteil, dem man nicht vorgreifen wolle, wieder abgebrochen. Denn es wird mühsam: Die alte „gerätebezogene Rundfunkgebühr“, nach der die „Bereithaltung“ eines „funktionstüchtigen Empfangsgeräts“ zu automatischen Zahlung verpflichtete, ist eigentlich technisch überholt. Computer, TV-fähige Mobilfunkgeräte und ganz allgemein die Digitalisierung erfordern neue Modelle für Geräte, die nicht mehr ausschließlich Radio oder Fernseher sind. Die Zeit drängt, denn die aktuelle „Gebührenperiode“ läuft Ende 2008 aus. Spätestens dann muss die Neuregelung stehen – und auch noch Gnade vor Brüssel finden.

Dass das alte Geräte- und GEZ-Modell längst tot ist, hatten auch schon führende Medienpolitiker wie SPD-Mann Martin Stadelmaier, rheinland-pfälzischer Staatskanzleichef und Hauptstrippenzieher in der Medienkommission der Länder, schon einmal eingesehen. Doch gleich mit den ersten Vorschlägen, was an die Stelle der alten Geräte-Gebühr treten könnte, sah man sich in schwerem Fahrwasser. Während sich SPD und CDU bislang gar nicht mit konkreten Vorschlägen geäußert haben, gingen die Oppositionsparteien schon im vergangenen Herbst in die medienpolitische Offensive: Die Grünen favorisieren eine Medienabgabe pro Haushalt nach französischem Vorbild, Unternehmen und Freiberufler werden zusätzlich je nach Zahl der Arbeitsplätze zur Kasse gebeten. Weil die Wirtschaft so mehr zahlte als heute, dürfte die Gebühr pro Einzelhaushalt laut Grünen-Prognose deutlich niedriger als die heutigen gut 17 Euro liegen.

Die FDP fordert dagegen eine Art Kopfpauschale von rund zehn Euro pro Mensch und Monat, die jeder Erwachsene mit eigenem Einkommen zu zahlen hätte. Für solvente Singles würde es so billiger, für klamme Kleinfamilien indes teurer als bisher.

Wer nun zu sehr auf den gordischen Knoten namens Gebühr starrt, könnte Ende August, wenn das Urteil erwartet wird, unsanft überrascht werden – nämlich wenn das Bundesverfassungsgericht en passant mitregelt, was überhaupt heute noch Rundfunk ist. Im Vergleich dazu ist die Frage, ob die Gebührenreduktion von 2004 verfassungsgemäß war, fast nicht der Rede wert.

STEFFEN GRIMBERG