Bioanbau in der Gentechnikfalle

In keinem Bundesland werden mehr gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut als in Brandenburg. Gleichzeitig boomt dort die Biolandwirtschaft. Doch beides zusammen funktioniert auf Dauer nicht

von BEATE SELDERS

Hans-Jürgen Müller ist empört. „Wenn das so weitergeht, können wir zumachen“, sagt der Bioimker im Oderbruch. Ihm macht der gentechnisch veränderte Mais zu schaffen. Stetig steigt die Zahl der Anbauflächen, und Bienen fliegen nun mal einige Kilometer zum Pollensammeln. Honig ohne gentechnisch veränderte Pollen kann der Imker bald nicht mehr garantieren.

Brandenburg ist mit rund 60 Prozent der bundesweiten Fläche Deutschlands Spitzenreiter im Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Der größte Teil der Felder liegt im Oderbruch und Umgebung. Jeder Anbau muss beim bundesweiten staatlichen Standortregister angemeldet werden. 2005 waren es erst 119 Hektar in ganz Brandenburg, im vergangenen Jahr 442, und in diesem Jahr sind es schon über 2.000 Hektar.

Für „Kleckerkram“ hält das hingegen Reinhard Jung vom gentechnikkritischen Bauernbund. „Das sind 0,2 Prozent der Äcker und nur eine Handvoll Betriebe.“ Mit Panikmache helfe man lediglich den Konzernen, die behaupten, die Gentechnik hätte sich durchgesetzt, warnt er. Die große Mehrheit der Betriebe entscheide sich noch immer gegen Gentechnologie. Einige haben sich inzwischen zu gentechnikfreien Zonen zusammengeschlossen. In der Uckermark, dem Fläming, im Spreewald und im Ruppiner Land gibt es zusammenhängende Flächen bis zu einer Größe von 20.000 Hektar Acker- und Weideland.

Trotzdem ist die Tendenz eindeutig und zumindest für einige Gentechnikgegner alarmierend. Brandenburg ist nicht zufällig Spitzenreiter. Hier gibt es einige strukturelle Vorteile für den Anbau von gentechnisch veränderter Pflanzen: Die Landwirtschaft ist traditionell hoch technisiert und bewirtschaftet große Anbauflächen mit oft anonymen Betriebsstrukturen. In Brandenburg stehen außerdem die meisten Biogas- und Biodieselanlagen. Nachwachsende Rohstoffe gelten als Zukunftsmarkt für die konventionelle Landwirtschaft. „Die Akzeptanz für Gentechnik ist bei Rohstoffen wesentlich größer als im Lebensmittelbereich, wo 70 Prozent der Verbraucher sie ablehnen“, sagt Saskia Dellwing vom Bioland-Anbauverband. Sie sieht hier das Einfallstor für die grüne Gentechnik.

Auch die Produktpalette gentechnisch veränderter Pflanzen wird größer. Zum speziellen Mais MON 810 des Herstellers Monsanto, der schon seit Jahren als Viehfutter und für Biogasanlagen angebaut wird, kommt jetzt sehr wahrscheinlich die Genkartoffel Amflora von BASF. Auch diese Sorte wurde nicht für den Teller, sondern für industrielle Zwecke entwickelt. Das Gen für die klumpende Stärke ist dabei ausgeschaltet, die Reststärke lässt sich so leichter für Beschichtungen von Fotopapier und ähnlichen Produkten verwenden. Nach einem positiven Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA ist in den nächsten Wochen mit der Marktzulassung durch den EU-Ministerrat zu rechnen.

Die brandenburgische Landesregierung ist darüber nicht erfreut. Landwirtschaftsminister Dietmar Woidke (SPD) setzt auf den boomenden Ökolandbau, der immerhin fast 10 Prozent der bebauten Fläche ausmacht, sowie auf Naturtourismus. Gentechnik, erklärte er unlängst, sei dabei ein Entwicklungshindernis für das Land. Nur tun dagegen kann er nicht viel. Bei seiner Antwort auf die mündliche Anfrage der Linkspartei im Brandenburgischen Landtag im März verwies er auf Vorgaben aus Berlin und Brüssel, die den Spielraum der Landespolitik aufs Appellieren beschränken. „Eine Benachteiligung von Landwirten, die zugelassene gentechnisch veränderte Produkte verwenden, ist und bleibt unzulässig.“