„Wir brauchen die zehnfache Summe“

Dietmar Oeliger, Energie-Experte des Naturschutzbundes Deutschland: Drei-Milliarden-Plan Gabriels reicht nicht

DIETMAR OELIGER, 34, ist der für Verkehr und Energie zuständige Referent beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in Berlin

taz: Herr Oeliger, der Bundesumweltminster hat heute einen Klimschutzfahrplan vorgestellt. Reicht er aus?

Dietmar Oeliger: Die Maßnahmen sind alle richtig und notwendig. Aber das Problem wird doch die Umsetzung werden. Nehmen wir das Beispiel Kraftfahrzeugsteuer: Dass die Bundesregierung den CO2-Ausstoß zum Maßstab machen will, ist nicht neu. Aber das alleine sichert noch nicht, dass Spritschlucker in Zukunft wirklich stärker belastet werden. Es kommt auf die Details an. Und da rechne ich mit Widerstand von Verkehrsminister Tiefensee und Wirtschaftsminister Glos.

Reichen denn die 3 Milliarden Euro, die Gabriel als Kosten bis 2010 einplant, aus?

Nein, der Klimaschutz wird teurer, wenn man wirklich etwas erreichen will. Man könnte sich zum Beispiel vornehmen, bis 2020 alle Häuser in Deutschland mit Blick auf den Energieverbrauch zu sanieren und nicht nur einen kleinen Teil. So etwas kostet aber mehr. Ich glaube, wir brauchen die zehnfache Summe.

30 Milliarden Euro – wo sollen die herkommen?

Das Geld ist da. Der Bund verzichtet derzeit jährlich auf 30 Milliarden Euro, indem er direkt und indirekt klimaschädliche Subventionen verteilt. Beim Flugverkehr beispielsweise, da er keine Mehrwertsteuer, Ökosteuer und Kerosinsteuer erhebt. Das allein kostet 900 Millionen Euro im Jahr, ausgerechnet beim klimaschädlichsten Verkehrsträger.

Wo fließt sonst noch Geld in Klimakiller?

An der Tankstelle. Durch die geringere Besteuerung von Diesel entgehen dem Staat Milliarden. Wenn Benzin und Diesel gleich stark besteuert würden, kämen gut 5,8 Milliarden Euro mehr in die Kassen.

Dieselfahrzeuge verbrauchen weniger als Benziner.

Aber sie rechnen sich erst ab einer Fahrleistung von mindestens 20.000 Kilometern pro Jahr. Ein Diesel verleitet also zum Vielfahren. Außerdem hat Diesel einen geringeren Energiegehalt als Benzin, letztendlich ist der CO2-Ausstoß je Liter rund 11 Prozent höher als beim Benziner.

Wie sieht es im Energiebereich aus?

Da wird weiterhin die Kohle mit Milliardensummen subventioniert. Und auch die Atomwirtschaft erhält Privilegien. So werden die Rückstellungen der Kraftwerksbetreiber derzeit nicht besteuert. Das bringt den Unternehmen Zinsen, und der Staat verzichtet auf schätzungsweise 800 Millionen Euro Steuereinnahmen pro Jahr.

Reaktoren stoßen weniger CO 2 aus als Kohlekraftwerke.

Aber die Rückstellungen haben mit der CO2-Bilanz nichts zu tun. Das Geld ist für irgendwann auftretende Schäden oder Stilllegungskosten vorgesehen. Man könnte es genauso gut in einen staatlichen Fonds überführen. Und der jährliche Zinsgewinn könnte Klimaschutzprojekten zugute kommen.

INTERVIEW: STEPHAN KOSCH