„Spaß und Attitude“

Unter seinem Künstlernamen Moguai ist der Recklinghäuser heute ein gefragter DJ, der seine Sets zwischen TechHouse, Breaks und Techno-Electro nicht nur in den Clubs der Welt, sondern auch rheinaufwärts bei EinsLive präsentiert. Als Producer und Remixer für die Sugababes und 2Raumwohnung wird er auf deren Plattencovern lobend erwähnt und neben Recklinghausen mag der „eingefleischte Lokalpatriot“ auch Münster und Düsseldorf ganz gerne.

INTERVIEW CHRISTIAN WERTHSCHULTE
UND NATALIE WIESMANN

taz: Herr Fuldner, Herr Tegeler, Sie sind weltweit gebuchte DJs, trotzdem haben Sie seit acht Jahren ein Studio in Recklinghausen. Warum sind Sie im Ruhrgebiet geblieben?

Philipp Fuldner: Das Ruhrgebiet ist wunderschön, das ist nur noch nicht bei allen Leuten angekommen. Wir haben eine Menge an Kulturlandschaft und viele interessante DJs, die sich in den Clubs die Klinke in die Hand geben.

André Tegeler: Du hast alles von Natur bis Großstadt. Nur das Zentrum fehlt.

Das Ruhrgebiet pulsiert auch nicht so, wie es könnte. Viele Clubs können sich nur kurz halten.

Tegeler: Das stimmt. Ich habe wer weiß wie viele Eröffnungen gespielt und zwei Jahre später war der Laden dann wieder dicht.

Das könnte sich ja nun ändern. In diesem Sommer soll die Loveparade nach Essen kommen.

Fuldner: Wenn es so wie in Berlin wird, kann es eigentlich für die Region nur gut sein. Als Zerstäuber für die Musik und den Lifestyle ist das zwar nicht mehr nötig. Elektronische Musik gehört ja schon zum Establishment.

Tegeler: Ich finde es gut, wenn man da weiter macht, wo man in Berlin begonnen hat. Ich habe aber ein Problem, wenn man das, was dahinter steckt, jetzt einfach so auf eine andere Stadt projiziert.

Was steckt denn dahinter?

Tegeler: Ich hab fast jede Loveparade mitgemacht. Am Anfang sind wir mit der Autokolonne nach Berlin gefahren, haben auf dem Autobahn-Parkplatz spontan einen Rave gefeiert und schließlich zwei Tage lang im Auto auf dem Ku‘damm übernachtet. Später habe ich dann vor 800.000 Leuten an der Siegessäule aufgelegt. Ich verbinde viel mit der Loveparade, für mich gehört das irgendwie nach Berlin. Obwohl das Ruhrgebiet neben Berlin sicherlich eine der interessantesten Regionen Deutschlands ist. Bei der Mayday hat man sich ja 1993 auch für Dortmund entschieden.

Aber da war die Mayday auch schon ziemlich etabliert. Bekommt das Ruhrgebiet nur die abgehalfterten Veranstaltungen anderer Großstädte?

Tegeler: Ich hoffe nicht.

Fuldner: Die „Sensation White“ in Gelsenkirchen hat, denke ich, das Gegenteil bewiesen. Eine Party mit Gästen, die komplett weiß gekleidet sind, war ein absolutes Novum. Die Mayday ist bis heute keine Abfallparty, die entsprechenden Protagonisten sind am Puls der Zeit, das ist kein Schnee von gestern.

Gibt‘s denn was Neues bei der Mayday in diesem Jahr?

Seit 17 Jahren steht das Gelsenkirchener Ex-Model als DJ Phil Fuldner hinter den Plattenspielern. Das Jugendzentrum in Norden von Herten hat er mittlerweile gegen Clubs auf Ibiza, in Südafrika und einer Reihe von Metropolen ausgetauscht. Sein größter Hit war „The Final – The Captain Future Theme“, eine Koproduktion mit seinem Jugendfreund Moguai, einem der vielen Hertener „Feierpeople“ von früher. Zur Mayday käme er gerne mit dem Fahrrad.

Fuldner: Nicht so wirklich. Das wird wie jedes Jahr eine witzige Party werden. Ich freu mich drauf. Es ist ja auch nicht so weit von meinem Wohnort weg. Fast wie früher.

Was war früher?

Fuldner: André, ich und eine Handvoll anderer Leute haben Parties im Jugendzentrum Nord in Herten veranstaltet. Anfang der 90er gab es keine Elektronikstadt im Ruhrgebiet, das war ein völlig neues Ding. Eigentlich hat sich die ganze Geschichte unter der Oberfläche abgespielt. Ich habe damals auch für die Trendline, die heutige Raveline, geschrieben. Die ersten Ausgaben haben wir in einem Buerer Wohnzimmer aus selbstkopierten Seiten zusammengetackert. Aber es war nicht unbedeutend. Für uns hat sich damals die Idee entwickelt, selbst Parties im großen Stil aufzuziehen. Es ging darum, den Spaß und die Attitude zu leben.

Denken Sie, dass Sie mit ihrer Musik auch einen Beitrag zum Programm der Kulturhauptstadt 2010 leisten könnten?

Tegeler: Es wäre schade, wenn wir da nicht vertreten wären.

Fuldner: Zu gegebener Zeit werden wir uns was ausdenken.

Aber die Planungen laufen doch schon seit längerem. Angeblich ist ein Großteil der Mittel schon verteilt. Sie sind da schon ein bisschen spät dran.

Fuldner: Wenn überhaupt, dann machen wir eine autarke Geschichte. Ich werde nicht um öffentliche Gelder buhlen. Wir machen das, weil wir Spaß daran haben oder wir machen es nicht. Elektronische Musik ist schließlich eine mehr als salonfähige Geschichte.

Die Kulturhauptstadt wird aber wohl nicht bei mir ankommen und sagen: „Schreib‘ uns doch eine Hymne, Phil.“

Könnte denn die Loveparade ein Schritt sein, elektronische Musik für die Kulturhauptstadt interessant zu machen?

Trotz internationaler Verpflichtungen haben die beiden Recklinghäuser DJs André Tegeler und Philipp Fuldner ihre Homebase im Ruhrpott. Auch bei der Mayday am kommenden Montag in Dortmund sind sie dabei

Tegeler: Nein. Wenn man die Parade mit Respekt behandelt, kann das eventuell gut gehen. Sie müsste jedoch entkommerzialisiert werden.

taz: Wie soll das gehen?

Tegeler: Da habe ich auch kein Patentrezept.

Fuldner: Niemand kann leugnen, dass die Loveparade eine kommerzielle Veranstaltung geworden ist, aber ich werde mich nicht mit dem Zeigefinger hinstellen und sagen: „Das ist jetzt alles Kommerz.“

Zeitgleich mit der Loveparade findet in Dortmund immer das Juicy Beats statt. Nehmen sich die beiden nicht gegenseitig die Besucher weg?

Fuldner: Das Juicy Beats ist ja mehr für die Jeunesse Dorée, ein avantgardistisches Laboratorium – sehr szenig und sehr cool. Die Loveparade ist da mehr für die breite Masse. Das ist eher ein bisschen wie Karneval in Rio. Ich denke, es gibt genug Platz für noch eine Party im Ruhrgebiet.