Kein Wahlkampf am 1. Mai

Die GewerkschafterInnen vermieden bei den Mai-Demos jeden Bezug zur Bürgerschaftswahl. Wichtiger als die Reden erwies sich die Gelegenheit, alte Bekannte wieder zu treffen

von Klaus Wolschner

5.000 Menschen auf der Mai-Demonstration in Bremen, 3.000 in Bremerhaven – das Wetter war sommerlich, aber es gab auch verschiedene Motive, sich zu an der Kundgebung zu beteiligen: Schließlich stehen nicht nur Tarifauseinandersetzungen an, sondern auch Wahlen.

Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) war denn auch mit dem Brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzek (SPD) gekommen, der auf Wahlkampf-Tour in Bremen weilte. Und die Linkspartei hatte vor der Rednertribüne auf dem Domshof so viele ihrer roten Fahnen auf lange Fahnenstangen aufgepflanzt, dass die meisten auf dem Platz die RednerInnen kaum sehen konnten. Die IG Medien wiederum nutzte die Chance, um auf Transparenten gegen „Jobkiller“ bei der Nordseezeitung und gegen „Tarifflucht“ bei Weser Kurier und Bremer Nachrichten zu protestieren.

Helga Ziegert, Bremens DGB-Chefin und SPD-Bürgerschaftsabgeordnete, war als Rednerin angekündigt, neben dem Bundesvorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg. Das Thema Mindestlohn – 7,50 Euro sollen es nach Gewerkschaftsvorstellungen sein – standen in beiden Reden im Zentrum. Es gebe BriefzustellerInnen, die nur 6,50 Euro bekämen, so Ziegert – ohne Ross und Reiter zu nennen.

Beide vermieden jede auf Bremen und den Wahlkampf bezogene Äußerung – sie orientierten sich so offensichtlich an den vom DGB intern verbreiteten Rede-Bausteinen, dass manche Sätze der ersten Rede in der zweiten wiederholt wurden.

„Der derzeitige Aufschwung geht an vielen Menschen vorbei“, hat der niedersächsische Verdi-Chef Siegfried Sauer auf der Kundgebung in Verden erklärt. Den Satz haben auch die Kundgebungs-TeilnehmerInnen in Bremen gehört – von Freiberg. Wenn sie denn zugehört haben. Die meisten Reden wurden abgelesen, reihten nur Positionen zu diversen Stichworten aneinander.

Bis zur nördlichen Seite des Domshofes reichten die Lautsprecher schon nicht mehr, rein akustisch war dort kaum mehr etwas zu verstehen. Dafür gab es bereits in der Nähe der Rednertribüne Bier und Bockwurst satt, dazu oft jede Menge alter Bekannter, die man bei Gelegenheiten wie dieser wieder sieht.

So hat der 1. Mai wieder mal alle jene Lügen gestraft, die behaupten, derlei tradierte soziale Feste und gesellschaftlichen Rituale hätten gegenüber den Medien-Events wie „Deutschland sucht den Superstar“ und „Schlag den Raab“ keine Chance mehr.