Horst Seehofer ackert für Genbauern

CSU-Bundesagrarminister will Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erleichtern: Im Gesetzentwurf weicht er Haftung bei Ausbreitung von Genpflanzen auf Nachbarfelder auf. Die Lage der Äcker soll nicht mehr veröffentlicht werden. Kritik von SPD

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

In Backmischungen, Pudding oder Gummibärchen könnte demnächst Gentechnik stecken. Denn: In diese Produkte wird oft Maisstärke gerührt. Und auf vielen Feldern hierzulande soll bald Genmais wachsen. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) lockert dazu jetzt das strikte Gentechnik-Gesetz, das noch unter Rot-Grün verabschiedet wurde.

Forschern und Bauern solle der Anbau von Genpflanzen erleichtert werden, heißt es im 160-seitigen Entwurf der Novelle, der der taz vorliegt. Schon im Koalitionsvertrag hatten CDU/CSU und SPD festgelegt, dass der Gen-Anbau gefördert werden soll. Doch die Reform erwies sich als schwieriger als gedacht.

Der Knackpunkt: Wer haftet, wenn Genpollen sich unkontrolliert ausbreiten und die Ernte auf dem Feld nebenan verunreinigen? Das Gros der Deutschen lehnt Gentechnik ab. Darum verlangen viele Lebensmittelproduzenten und Händler von den Landwirten reine Ware. Und der Bauer wird eine Ernte mit Genspuren nicht zum üblichen Preis los. Für diesen Verlust muss er – so sieht es das Nachbarschaftsrecht vor – entschädigt werden.

Ursprünglich wollte Seehofer einen Haftungsfonds einrichten. Doch die Industrie weigerte sich, dafür Geld zu geben. Nun löst Seehofer das Problem so: Genbauern müssen ihren Nachbarn nur entschädigen, wenn die Verunreinigung durch Genmais in der Ernte mehr als 0,9 Prozent beträgt. Und als Nachbar gilt nur, wer ein Feld im Umkreis von 225 Metern des Gen-Ackers besitzt.

Die Haftung kann aber auch ganz wegfallen: Die Genbauern müssen dazu nur eine Abmachung mit ihren Nachbarn treffen. Sie könnten etwa anbieten, die Ernte des Nachbarn aufzukaufen. Der Genbauer müsste dann auch keine Vorsichtsmaßnahmen mehr treffen. Ein Sicherheitsabstand zwischen seinem und dem Nachbaracker wäre überflüssig. Umweltschützer halten nichts von diesen nachbarschaftlichen Absprachen.

„Die Regelung ist falsch“, sagt Tina Löffelbein von Greenpeace. Es werde dann gar nicht mehr geprüft, ob sich Genpflanzen vom Acker machen. Sie gerieten außer Kontrolle. Das fürchtet auch Heike Moldenhauer vom BUND. „Das ist eine Abmachung unter zweien“, erklärt sie. „Der Bauer ein Feld weiter weiß nicht, was seine Nachbarn treiben.“ Womöglich nutze er mit ihnen aber einen Mähdrescher. Es ist üblich, dass Bauern sich die teuren Maschinen teilen. Die Gentechnik breite sich aus – „und keiner merkt es“, so Moldenhauer. Zumal es demnächst kein öffentliches Register mehr geben soll, auf welchem Feld welcher Bauer Genpflanzen anbaut. Wer wissen will, ob sein Nachbar Mais mit fremder Erbsubstanz pflanzt, muss erst aufs Amt und seinen Anspruch begründen.

Der Gesetzentwurf soll noch vor August vom Kabinett verabschiedet werden. Im Herbst berät ihn der Bundesrat, danach geht er in den Bundestag. Ulrich Kelber, Fraktionsvize der SPD, sagt: „Das Gesetz wird nicht so beschlossen, wie es jetzt ist.“ Bauern, die ohne Gentechnik arbeiten wollten, müssten geschützt werden. Bei Aldi, Edeka und Co werde es auch künftig gentechnikfreie Lebensmittel geben.

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