CSU darf Köhler mit Liebesentzug drohen

Die Begnadigung von RAF-Terroristen durch den Bundespräsidenten war immer ein Politikum. Eine Analyse

Es spricht nichts dagegen, wenn die CSU auf bestimmte Präferenzen ihrer Wahlleute hinweist

FREIBURG taz ■ Die Grünen fahren schwere Geschütze auf. Sie werten es als „Nötigung eines Verfassungsorgans“, wenn die CSU androht, Bundespräsident Horst Köhler im Falle einer Klar-Begnadigung nicht wiederzuwählen. Juristisch ist die Ansicht aber nicht haltbar.

„Wer den Bundespräsidenten rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, seine Befugnisse nicht oder in einem bestimmten Sinne auszuüben, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft“, heißt es in Paragraf 106 des Strafgesetzbuchs. Nun mag die Aussicht, nicht wiedergewählt zu werden, für Köhler tatsächlich ein „empfindliches Übel“ sein. „Rechtswidrig“ ist die Drohung damit aber nicht.

Schließlich ist es geradezu das Wesen der repräsentativen Demokratie, dass die Amtsinhaber ihre Arbeit machen können und der Bürger diese dann nach vier Jahren durch Wiederwahl oder Abwahl quittiert. Das Gleiche gilt auch für den Bundespräsidenten, der nicht vom Volk gewählt wird, sondern von der Bundesversammlung.

Diese umfasst mehr als 1.228 Wahlmänner und -frauen, die von den Landesparlamenten bestimmt werden oder dem Bundestag angehören. Die CSU stellt derzeit 110 Vertreter, könnte also zumindest Zünglein an der Waage spielen. Es spricht in der Demokratie nichts dagegen, wenn der CSU-Generalsekretär heute schon auf bestimmte Präferenzen „seiner“ Wahlleute hinweist.

Zwar ist das Begnadigungsrecht im Bund eindeutig dem Bundespräsidenten zugeordnet, das verbietet aber natürlich keine öffentliche Diskussion. Gerade die Begnadigung von RAF-Angehörigen war immer ein Politikum. Als die Diskussion in den 80er-Jahren begann, war die RAF noch aktiv und die Versöhnungsinitiative von Justizminister Hans Engelhardt und seinem Staatssekretär Klaus Kinkel (beide FDP) sollte den Kreislauf der Gewalt aufbrechen. Und auch bei der Begnadigung von Klar spielt heute eine Rolle, ob der Staat kurz vor dessen regulärer Entlassung noch ein explizites Versöhnungssignal geben sollte.

Gerade weil die CSU so geifernd gegen eine Begnadigung wettert, setzen sich viele auch vehement für eine Begnadigung ein. Insofern könnte die öffentliche Debatte Klar sogar nutzen. Horst Köhler, der gerne als unbequemer Präsident im Mittelpunkt des politischen Geschehens steht, nutzt sie auf jeden Fall. Vermutlich hat er deshalb seine Entscheidung über das Gnadengesuch nicht einfach veröffentlicht, sondern mit einigen Tagen Vorlauf angekündigt, damit die Diskussion noch einmal richtig hochkocht. CHRISTIAN RATH